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HBS Böckler Impuls

Niedriglöhne: Europas Mindestlöhne steigen

Ausgabe 01/2007

Von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben 20 einen gesetzlichen Mindestlohn. Fast alle erhöhen ihn derzeit kräftig.

Die meisten europäischen Staaten haben ihre gesetzlichen Mindestlöhne im Laufe des Jahres 2006 stark angehoben. In zahlreichen Ländern traten zum Jahreswechsel weitere Mindestlohnanpassungen in Kraft. Am deutlichsten waren die Erhöhungen in Mittel- und Osteuropa, zeigt eine Analyse des WSI: Lettland legte 47,8 Prozent zu, Estland 34,3 Prozent, die Slowakei 32 Prozent. "Diese Mindestlohnsteigerungen stehen insgesamt für den anhaltenden lohnpolitischen Aufholprozess in diesen Ländern", so Thorsten Schulten, Arbeitsmarktexperte des WSI. Aber auch in einigen westeuropäischen Ländern wie Irland oder Großbritannien kam es zu Zuwächsen von über 8 Prozent.

In der um Bulgarien und Rumänien erweiterten Europäischen Union haben 20 von 27 Staaten gesetzliche und branchenübergreifende Mindestlöhne. Von den übrigen Mitgliedstaaten verfügen fünf wegen einer sehr hohen Tarifbindung über eine tarifliche Mindestlohnsicherung - Schweden, Dänemark und Finnland sowie Österreich und Italien. Eine solche Bindung gibt es in Deutschland nicht: Im Westen erreichen Tarifverträge 68 Prozent der Beschäftigten, im Osten nur 53 Prozent. "Von allen EU-Staaten ist in Deutschland der Niedriglohnsektor am wenigsten per Gesetz oder per Tarifvertrag reguliert", erklärt Schulten.

Nach der absoluten Höhe der gesetzlichen Mindestlöhne lassen sich drei Ländergruppen unterscheiden:

  • In den westeuropäischen Staaten liegt der Mindestlohn mittlerweile knapp unter oder teilweise sogar deutlich über 8 Euro pro Stunde.
  • Der Mindestlohn in den südeuropäischen Ländern variiert zwischen 2,82 und 4,22 Euro.
  • Die untersten erlaubten Löhne in Mittel- und Osteuropa liegen zwischen 0,53 und 1,76 Euro.

Diese Beträge spiegeln zum Teil die verschiedenen Lebenshaltungskosten und wirtschaftliche Leistungskraft der Länder wider. Es gibt jedoch auch erhebliche Niveauunterschiede: Gemessen an den nationalen Durchschnittslöhnen variieren die Mindestlöhne zwischen 30 und 60 Prozent. Um die Annäherung der Lebensverhältnisse in der EU zu unterstützen und Mindestlöhne möglichst überall armutsfest zu machen, hält das WSI die Einführung einer europäischen Mindestlohnnorm für sinnvoll. Die nationalen Mindestlöhne sollten nach Ansicht des WSI schrittweise auf ein Niveau angehoben werden, das mindestens 50 Prozent des nationalen Durchschnittslohns entspricht.

Thorsten Schulten, Reinhard Bispinck, Claus Schäfer (Hrsg.): Mindestlöhne in Europa, VSA-Verlag, Hamburg 2006. mehr Infos zum Buch

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