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HBS Böckler Impuls

Außenhandel: Deutschland: Verwundbarer Global Player

Ausgabe 14/2010

In den vergangenen 15 Jahren hat sich die deutsche Wirtschaft zunehmend vom Export abhängig gemacht. Besonders stark gewachsen ist der Handel mit den Staaten Osteuropas und mit China.

Unter den europäischen Volkswirtschaften nimmt Deutschland eine Sonderrolle ein: Trotz seiner Größe ist Deutschland ähnlich stark in den internationalen Handel verwoben wie üblicherweise kleine Länder wie Österreich oder die Niederlande. Denn die Bundesrepublik ist sehr auf den Außenhandel fokussiert, anders als große Volkswirtschaften wie Frankreich, Italien oder Spanien. Diese außenwirtschaftliche Orientierung lässt Deutschland von der starken Dynamik im Welthandel profitieren, zeigt eine Studie von IMK-Forscherin Sabine Stephan. Sie macht aber zugleich verwundbar für außenwirtschaftliche Schocks.

Stephan hat die Außenhandelsdaten des Statistischen Bundesamtes der Jahre 1995 und 2008 miteinander verglichen. Zusätzlich dazu analysierte sie das Krisenjahr 2009. Ihr Ergebnis: Bis 2008 expandierte der deutsche Außenhandel um durchschnittlich 6,9 Prozent pro Jahr, wuchs also deutlich kräftiger als die Wirtschaft insgesamt mit 1,6 Prozent im Jahresmittel. Damit erhöhte sich die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Ausland. Ab dem Jahr 2000 entwickelten sich zudem die Ausfuhren deutlich stärker als die Einfuhren. So entstanden Überschüsse in der Leistungsbilanz.

Alte EU verliert an Bedeutung. Traditionell unterhält Deutschland enge Handelsbeziehungen mit seinen westeuropäischen Nachbarn. Überraschenderweise verloren diese jedoch in den vergangenen 15 Jahren als Absatzmarkt für deutsche Erzeugnisse an Bedeutung: Gingen 1995 noch 58 Prozent der deutschen Exporte in die alten EU-Staaten, so waren es 2008 nur noch 51 Prozent. Auch ihr Anteil an den deutschen Wareneinfuhren sank - von 56 auf 46 Prozent.

Starker Handel mit Osteuropa. In die neuen EU-Länder exportierte Deutschland 2008 fünfmal mehr als 15 Jahre zuvor. Dorthin gehen nun 12 Prozent der deutschen Exporte. Enge Handelsbeziehungen aus DDR-Zeiten dauerten auch nach Ende des
Ostblocks fort oder ließen sich wieder beleben, zeigt die Studie. Auch profitierte Deutschland als Produzent von Investitionsgütern besonders von der starken Nachfrage dieser Länder nach Maschinen, Anlagen und Kraftfahrzeugen. Die Importe aus Osteuropa stiegen ebenfalls kräftig. Ihr Anteil liegt bei 11 Prozent.

China wichtigster Partner in Asien. Der Anteil Asiens am deutschen Außenhandel liegt relativ stabil bei 12 Prozent. Gleichwohl haben sich die Schwerpunkte drastisch verschoben. Die Anteile der Exporte nach Japan und in Schwellenländer wie Thailand oder Indonesien gingen zurück. Im Gegenzug verdoppelte sich der Anteil Chinas an den deutschen Ausfuhren. Bei den Lieferanten sei das Reich der Mitte Senkrechtstarter, so die Forscherin: Von 1995 bis 2008 wuchsen die Importe um das Siebenfache. Damit war China 2008 Deutschlands drittwichtigster Lieferant - und eines der wenigen Länder, aus denen die Bundesrepublik mehr importiert als sie dorthin ausführt. Inzwischen hat sich China sogar auf den ersten Platz vorgeschoben.

Wirtschaftskrise lässt Außenhandel einbrechen. 2009 markiert einen absoluten Negativrekord im Außenhandel der Bundesrepublik. Als Reaktion auf die Krise stabilisierte Deutschland mit seinen Konjunkturprogrammen erfolgreich die Binnenwirtschaft. Aus Sicht des IMK ein richtiger Ansatz auch nach der Krise: Für die Zukunft empfiehlt Stephan, die Stärkung der Binnennachfrage weiter in den Vordergrund zu stellen - durch bessere Bedingungen für höhere Löhne. Dies würde ein Ende der Umverteilung von Löhnen zu Gewinnen bedeuten, die sich seit der Jahrtausendwende vollzieht: Von 2000 bis 2008 stiegen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte insgesamt um nominal fast 19 Prozent. Der Löwenanteil entfiel dabei jedoch auf Kapitalgewinne. Preisbereinigt sanken die Masseneinkommen sogar - also Nettolöhne und -gehälter, Renten und Sozialeinkommen.

Seit Mitte 2009 expandieren Ex- und Importe zwar kräftig, haben aber noch nicht wieder das Niveau von vor der Krise erreicht. Oft werde so getan, als seien die Exportüberschüsse Deutschlands Ausdruck einer erfolgreichen Wachstumsstrategie und Lohnzurückhaltung ein notwendiges Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. "Das Gegenteil ist der Fall", erläutert die Forscherin: Unter dem Strich habe Deutschland mit seiner Fokussierung auf den Export die Wachstumschancen einer stärker binnenwirtschaftlichen Ausrichtung nicht genutzt. Höhere Löhne würden die Binnennachfrage nachhaltig stärken und damit Deutschland vom Ausland deutlich weniger abhängig machen.

  • Einen Großteil seines Außenhandels wickelt Deutschland immer noch mit seinen westeuropäischen Nachbarn ab. Die neuen EU-Mitgliedsländer in Osteuropa und China gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung. Zur Grafik

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