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SMS-Standardisierer Hillebrand in Bonn nahe der Telekomzentrale, seinem früheren Arbeitgeber: Der 71-jährige Ingenieur war Stipendiat der Stiftung Mitbestimmung, der Vorläuferorganisation der Hans-Böckler-Stiftung. Magazin Mitbestimmung

Altstipendiat: Mister SMS

Ausgabe 09/2011

Friedhelm Hillebrand ist der Mann, der die 160-Zeichen-Nachricht mit erfand. Der Ex-Bundespostmanager hat dafür gesorgt, dass sich die SMS weltweit verbreiten konnte.

Von Fritz Wolf

Ganz offensichtlich ist Friedhelm Hillebrand ein gut organisierter Mensch. Zum Treffen in einem Bonner Lokal hat er seine Aktentasche mitgebracht. Er holt sein englischsprachiges Fachbuch über die Geschichte der SMS hervor und sein Jugendwerk zur „Einseitenbandtechnik“. Eigentlich sei er ja als Westfale „etwas klüngelig“, gern etwas vertrödelt, sagt Hillebrand. Aber das internationale Geschäft habe ihn Disziplin gelehrt: „In Japan habe ich gelernt, dass man nicht unpünktlich sein darf, die Japaner interpretieren Verspätung als Missachtung.“ 

Heute schickt, wer zu spät zu kommen droht, eine SMS. Milliarden von Kurzbotschaften laufen um den Globus, und viele User können schneller tippen als reden. Friedhelm Hillebrand ist einer, der alles über SMS weiß. Er hat den „Short Message Service“ mit erfunden. Versteht er sich als Erfinder? Kurzes Überlegen: „Beim Konzept der Short Message, das viele bekannte Elemente nutzt, ist die wirkliche Neuheit die Komposition der Elemente. Dafür habe ich den Anstoß gegeben, und insofern bin ich ein Erfinder.“ Patente haben Friedhelm Hillebrand und seine Mitentwickler nie beansprucht, sie wären heute reich: „Wir waren im öffentlichen Dienst, und wir fanden uns mit dem Gehalt bezahlt.“ Er bedauert diese Haltung nicht: „Im vorwettbewerblichen Bereich, den man braucht, um langfristig etwas weiterzutreiben, gibt es heute kaum noch Zusammenarbeit. Das ist schade. Die großen Spieler denken nur noch kurzfristig an ihr Geschäft.“ 

Konnte ein Kurztextdienst sinnvoll sein? Mobil telefonieren konnte man Ende der 80er nur mit Autotelefonen. Aber die Menschen benutzten auch Faxformulare, in die nur drei Sätze passten. Und sie verschickten Postkarten. Friedhelm Hillebrand hat die Texte vieler Postkarten ausgezählt. So kam er auf 160 Buchstaben. Aber für wen könnte die SMS von Nutzen sein? Hillebrand dachte an einen mobilen Handwerker, einen Elektriker, der nach seinem Arbeitseinsatz im Autotelefon einen neuen Auftrag vorfindet. Massenhaft durchgesetzt haben den Dienst freilich die jungen User: „Die konnten etwas, was die Alten nicht konnten.“ 

Ohnehin ist die SMS nur ein Aspekt im weiten Feld der Mobilkommunikation, das Friedhelm Hillebrand ausgiebig bespielt hat. Er war in Leitungsfunktionen bei der Bundespost in Bonn, später bei der Telekom und stets mit Zukunftsfragen befasst. Sein Thema ist: Standardisierung. Das klingt ingenieursmäßig trocken, aber es geht um viel. Im Mobilfunk müssen alle mit allen können. Alle Handytypen aller Baureihen müssen in allen Netzen funktionieren. Das braucht Koordinierung, und die hat er erfolgreich gemanagt – als Technischer Direktor des Weltverbands der GMS-Netzbetreiber und Vorsitzender jenes Ausschusses, der zwischen 1996 und 2000 die Standardisierung von SMS und UMTS betrieb: „Die Entwicklung des Mobiltelefons ist ein ungeheures gesamteuropäisches Erfolgsprojekt, weil über viele Jahre mehr Mobilfunkmaterial für Netzinfrastruktur und Handys aus Europa exportiert wurden als Autos“, sagt Hillebrand. „Auch die technische Qualität ist bemerkenswert, man kann mit dem ältesten Handy immer noch telefonieren.“ 

Friedhelm Hillebrand hat an der RWTH Aachen Nachrichtentechnik studiert, war als Amateurfunker aktiv und hat 1968 als Student das Taschenbuch veröffentlicht „Einseitenbandtechnik für den Funkamateur“. 30 000 Auflage. Zur Hans-Böckler-Stiftung kam er über seinen Vater, der in einer Kettenfabrik tätig war und gute Kontakte zu den Betriebsräten hatte. Das Stipendium der damaligen Stiftung Mitbestimmung – es waren 250 Mark plus 50 Mark Büchergeld – hat es Hillebrand ermöglicht, zügig zu studieren, und es hat ihn vielleicht auf die internationale Spur gesetzt: „Man bekam über die Kontakte zu anderen Stipendiaten Anregungen. Die Stiftung hatte eine Summer School in der Universität in Nottingham organisiert, das eröffnete Einblicke in ganz andere Themen.“ In Diensten der Bundespost interessierte er sich für Zukunftstechnik: „Datex-P oder Mobilfunk, das ist technisch sehr anspruchsvoll, sehr komplex. Das hat mich gereizt.“ Die Karriere verlief zügig. Der Ingenieur, der von sich sagt, er sei „in seiner Denkweise eher technischer Generalist und versuche, technische Entwicklungen ganzheitlich zu sehen“, wurde so zum Telekommunikationsmanager. 

Hillebrand sieht man seine 71 Jahre nicht an. Nach seiner Pensionierung hat er ein Beratungsunternehmen aufgebaut und befasst sich mit Patentfragen im Mobilfunk. Daneben hat er noch einiges vor: „Ich würde gern mein Französisch aufmöbeln und vielleicht noch etwas Spanisch oder Italienisch lernen.“ Und für den Gebrauch der SMS wünscht er sich eine Art Netiquette: „Wenn junge Leute dem Freund oder der Freundin die Liebschaft absagen mit der Short Message, das finde ich unsäglich.“

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