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Rückblick 24. FMM Konferenz: Alles dreht sich um das Virus

Aus der Not eine Tugend gemacht: Auch die die FMM-Konferenz 2020 muss digital stattfinden. Dafür sind mehr internationale Top-Ökonomen denn je dabei.

Von Ingo Zander

Ungleichheit, grüne Wirtschaft und die Zukunft des Kapitalismus – es waren die großen Themen und Megatrends der Krise, die am Donnerstag, den 28. Oktober, dem vorletzten Tag der Konferenz des FMM (Forum for Macroeconomics and Macroeconomic Policies) standen. Und mit bekannten US-Ökonomen wie Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, Branko Milanovic oder Dani Rodrik war die von der Hans-Böckler-Stiftung organisierte Fachkonferenz in diesem Jahr besonders hochkarätig besetzt. Dabei nahmen die Diskussionen immer wieder die soziale Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Blick – diesseits und jenseits des Atlantik.

In den USA werde die Pandemie längere Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben als die Finanzkrise erklärte Steven Fazzari, Ökonom an der Washington University St. Louis. Zudem würde sie benachteiligte Gruppen schwerer treffen: Beschäftigte in schlecht bezahlten Dienstleistungs- und Produktionsjobs könnten seltener im Home Office arbeiten. Seine Prognose: Die Corona-Pandemie werde die Ungleichheit vertiefen. Er forderte, Arbeitslose finanziell stärker zu unterstützen, um die Kaufkraft in der Krise zu stärken.

Daniele Tavani von der Colorado State University berichtete über ein anderes Instrument, die Kaufkraft in den USA zu stärken – direkte Zahlungen an Haushalte. Wichtig für den Erfolg solcher Maßnahmen sei eine begleitende Kommunikationsstrategie. Dieses Argument begründete er damit, dass US-Präsident Donald Trump einen großen Vertrauensverlust verursacht habe. Erst wenn das Vertrauen wieder wachse, würde die Bereitschaft zunehmen, zu konsumieren anstatt zu sparen.

Kooperation und Altruismus stärken

Bettina Kohlrausch, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, stellte dem internationalen Publikum Ergebnisse aus ihrer laufenden Forschung zur Corona-Krise vor. Mit großangelegten Befragungen durchleuchtet die Stiftung, wie sich die Pandemie in Deutschland zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirtschaftlich und sozial auswirkt. Ein wichtiger Aspekt: Die Arbeitsteilung in Paarbeziehungen. Kohlrausch befürchtet, dass sich hierzulande in der Krise traditionelle Geschlechterrollen wieder verfestigen könnten. Je länger die Krise anhält, desto größere Einkommenseinbußen können Frauen davontragen – beispielsweise, weil die Betreuung der Kinder aufwändiger wird, wie während der Schul- und Kitaschließungen im Frühjahr.

Die Pandemie sollte für eine Transformation der Wirtschaft, weg von einer starken Konjunktur- und Wachstumsabhängigkeit und hin zu mehr Nachhaltigkeit und Krisenfestigkeit genutzt werden, forderte Steffen Lange vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung Berlin. Allerdings gab er sich skeptisch, ob dies auch geschehe. Denn die  Auswirkungen der Krise – wie etwa Arbeitslosigkeit – seien ungleich verteilt. Armon Rezai von der Wirtschaftsuniversität Wien stimmte ihm diesem Punkt zu: Arbeit bleibe die zentrale Einkommensquelle.

Dani Rodrik von der Harvard-Universität skizzierte Überlegungen dazu, wie gute neue Jobs entstehen könnten, in einer Zeit, wo die Mittelschicht in den USA schwindet. Statt kurzfristiger Rezepte wie den Steuersenkungen der Trump-Administration fordert er kooperative, lernfähige und revisionsbereite Handlungsstrukturen zwischen Staat und Unternehmen. Die skandinavischen Länder, so Rodrik, hätten mit solchen Ansätzen in der Vergangenheit  durchaus Erfolg gehabt.

Ähnlich äußerte sich Joseph Stiglitz. Kapitalistische Gesellschaften müssten Werte wie Kooperation und  Altruismus im System erhalten, um ihre Existenz zu sichern. Stiglitz drückte seine tiefe Überzeugung aus, dass Staaten, in denen sich die Menschen vertrauen können, besser auf Herausforderungen reagieren können als jene, in denen nur der kurzfristige persönliche Eigennutz das Misstrauen herrsche.

Branko Milanovic von der City University of New York referierte zentrale Thesen aus seinem Buch „Kapitalismus global – Über die Zukunft des Systems, das die Welt beherrscht“. Seit den 1980er Jahren schrumpfe zwar global betrachtet die Einkommenskluft, aber dies gelte nicht für Gesellschaften wie die amerikanische. Milanovic plädierte – wie auch Stiglitz – für eine Stärkung der öffentlichen Bildung als einen fundamentalen Beitrag zu einem egalitäreren, meritokratischen Kapitalismus, weil an den Elite-Universitäten die Zusammensetzung der Studenten immer mehr durch deren soziale Herkunft bestimmt werde.

[30.10.2020]

Weitere Informationen zur FMM Conference

Dokumentation der 24th FMM Conference

Website des Forum for Macroeconomics and Macroeconomic Policies

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