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Neue Studie untersucht mehr als 400 Unternehmen: Mischkonzerne haben zu Unrecht schlechten Ruf – Mit der Anzahl an Geschäftsbereichen wachsen auch der Betriebsgewinn und die Marktkapitalisierung

04.01.2019

Mischkonzerne, die in mehr als einer Branche aktiv sind, haben unter Finanzinvestoren und Börsenhändlern zu Unrecht einen schlechten Ruf. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Untersuchung des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung und der Universität Duisburg-Essen (UDE). Sie zeigt: Verfolgen Unternehmen eine Diversifikationsstrategie, wachsen mit der Anzahl der Geschäftsbereiche auch das Betriebsergebnis (EBIT) und die Marktkapitalisierung statistisch signifikant um fünf bzw. sieben Prozent. Beschränkten sich Firmen hingegen zunehmend aufs „Kerngeschäft“, büßen sie im Mittel entsprechend an Gewinn und Börsenwert ein.

„Die Strategie von Mischkonzernen kann wirtschaftlich sehr erfolgreich sein. Unternehmen, die sich auf verschiedenen Feldern aufstellen, reduzieren ihre Abhängigkeit von einer bestimmten Branchenkonjunktur und branchenspezifischen Risiken und vergrößern im besten Fall ihre Chance, auf Zukunftsmärkten vorne mit dabei zu sein“, resümieren die Studienautoren Dr. Sebastian Campagna und Prof. Dr. Marc Eulerich. Das unterstreiche auch die Strategie der amerikanischen Digitalriesen, betonen die beiden Ökonomen: Alphabet, Amazon & Co. entwickelten sich mit zunehmender Größe selber zu Mischkonzernen, die unterschiedliche Sparten wie Gesundheit, autonomes Fahren oder Versicherungsdienstleistungen integrieren und so weit über ihr ursprüngliches Geschäftsmodell hinaus gehen.

Für die Studie hat Marc Eulerich, Professor für Interne Revision an der Mercator School of Management der UDE, umfangreiche Geschäftsdaten von 403 Unternehmen ausgewertet, die zwischen 2009 und 2016 durchgängig im umfassendsten deutschen Börsenindex CDAX notiert waren. In einer Panel-Regression konnte der Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Geschäftsbereiche einerseits und dem EBIT und der Marktkapitalisierung als Leistungsindikatoren der Unternehmen andererseits bestimmen. Weitere Strategiefaktoren, etwa eine verstärkte Internationalisierung oder die Branchenzugehörigkeit, allesamt Faktoren die ebenfalls den wirtschaftlichen Erfolg beeinflussen können, wurden in diesem Teil eines umfangreicheren Projektes des I.M.U. und der UDE noch nicht berücksichtigt, folgen aber.

In der Stichprobe waren sowohl fokussierte Unternehmen mit einem einzigen Geschäftsbereich, als auch diversifizierte und stark diversifizierte Mischkonzerne mit zahlreichen Geschäftsbereichen. Durch die Panel-Struktur der Daten ließen sich zudem die Ergebnisse unabhängig von externen Effekten zu einem bestimmten Erhebungszeitpunkt generieren. Im Durchschnitt beobachtet Eulerich einen statistisch signifikanten positiven Effekt von Diversifikationen: Unternehmen haben pro zusätzlichem Geschäftsbereich fünf Prozent mehr operativen Gewinn. Die Marktkapitalisierung wächst um sieben Prozent. Auch wenn sich hierzu keine Aussagen zur relativen Leistung des Unternehmens treffen lassen, also inwieweit beispielsweise die Rendite nach der Diversifikation zugenommen hat, sind die Ergebnisse besonders aus strategischer Sicht von großer Relevanz, da nicht per se ein breiteres Geschäftsportfolio auch zu negativen Effekten führen muss.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der aktuelle Mainstream in der Unternehmensführung keine solide Basis hat, wenn generell ‚fokussierte‘ Unternehmen favorisiert und Mischkonzerne grundsätzlich als Auslaufmodelle betrachtet werden“, betonen die Forscher. Besonders die Aufspaltung von Mischkonzernen ist dabei als kritisch zu bewerten. Hier muss immer von Fall zu Fall geprüft werden, inwieweit der Wert des Mischkonzerns höher oder niedriger ist, als der Wert seiner Bestandteile. Oft sind solche Aufspaltungen mit Stellenstreichungen verbunden. In deutschen Unternehmen leistet die Mitbestimmung von Beschäftigten im Aufsichtsrat immerhin ein gewisses Gegengewicht.

Auf Basis der neuen Forschungsbefunde könne man „aus betriebswirtschaftlichen Gründen ruhig für eine Diversifikationsstrategie plädieren“, schreiben Campagna und Eulerich. Das meinen die Experten natürlich nicht als Freibrief für ungebremste Expansion. „Mischkonzerne sollten sich auf jene Bereiche konzentrieren, in denen nachhaltig Perspektiven erkennbar sind und für die auch unterschiedliche Renditegrößen akzeptiert werden.“ Sei das gegeben, könne man das angebliche Auslauf- aber durchaus als Zukunftsmodell betrachten: „Das unternehmerische Risiko einer digitalen Zukunft voller wirtschaftlicher Herausforderungen können Unternehmen gerade mittels kluger Diversifizierung entsprechend streuen.“

Weitere Informationen:

Sebastian Campagna, Marc, Eulerich: Mischkonzerne – ein Auslaufmodell? In der Zwickmühle zwischen Kapitalmarktmoden und digitaler Transformation (pdf), Mitbestimmungsreport Nr. 46, Januar 2019

Video: Vier Fragen zur Studie an Prof. Dr. Marc Eulerich

Kontakt:

Dr. Sebastian Campagna
Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.)

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

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