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Corona-Zweifel und Verschwörungsmythen : Dem Misstrauen in die Politik entgegenwirken

Corona-Zweifel und Verschwörungsmythen sind noch immer weit verbreitet. Es braucht politische Angebote, um den Menschen stärker als bisher das Gefühl zu vermitteln, dass sie gesehen werden. Von Andreas Hövermann

[18.10.2021]

Wer gehofft hat, „Querdenkende“ und ihre oft kruden Verschwörungsmythen würden einfach verschwinden, sobald sich die Corona-Situation entspannt, der irrt. Jüngste Befunde unserer Erwerbspersonenpanelbefragung deuten nicht darauf hin. Mitte Juli – also zu einem Zeitpunkt sehr niedriger Inzidenzen, deutlicher Lockerungen beim Infektionsschutz und dem Ende der Impfstoffknappheit – konnten sich 20 Prozent der Erwerbsbevölkerung vorstellen, „dass hinter der Pandemie eine Elite steht, die eine neue Weltordnung schaffen will“. Dass das „Corona-Virus nicht so gefährlich ist, wie es häufig behauptet wird“, stimmten nach Zehntausenden Todesfällen allein in Deutschland 27 Prozent zu.

Welch großes Bedrohungspotenzial von Verschwörungsmythen und „Querdenkenden“ für demokratische Gesellschaften ausgeht, haben die letzten Wochen gezeigt. Die Radikalisierung führte zu Attacken auf Impfzentren, Drohungen und Gewalt gegen Journalist:innen und Politiker:innen und gipfelte mutmaßlich in dem Mord an einem 20-Jährigen in Idar Oberstein, wohl, weil er einen Kunden gebeten hat, eine Maske aufzuziehen.

Unsere Studie wirft zusätzlich ein Schlaglicht auf unsolidarische Verhaltensformen in der Pandemie. Dabei zeigt sich, wie stark Verschwörungsmythen die Bekämpfung der Pandemie behindern können: Befragte, die Zweifeln und Mythen anhängen, äußerten nicht nur deutlich häufiger sorgloses und regelmissachtendes Pandemie-Verhalten, sondern sind auch besonders häufig unter den überzeugten Impfgegner:innen zu finden.

Als besonders wichtiger Erklärungsfaktor erweist sich Politik-Misstrauen. Deutlich wird das u. a. in der Analyse der Wahlpräferenz von Befragten, die Zweifel und Mythen teilen. Hier ist die Bindung an etablierte demokratische Parteien verschwindend gering, während die AfD die Partei ist, die diese Klientel zu erreichen vermag. Es erscheint zwar als Herkulesaufgabe das verlorengegangene Vertrauen Schritt für Schritt zurückzugewinnen, dies muss jedoch angesichts der aufgeheizten Situation Ziel jeder künftigen Regierung sein. In der direkten Kommunikation kann eine Mischung aus deeskalierendem, empathischem und spott-vermeidendem Argumentieren bei gleichzeitiger inhaltlicher klarer Kante erfolgversprechend sein.

Nicht minder wichtig: diese Menschen auch politisch mit Angeboten abzuholen, um ihnen stärker als bisher das Gefühl zu vermitteln, dass sie gesehen werden. Es sind nämlich nicht nur häufiger bildungs- und einkommensbenachteiligte Personen, die den Zweifeln und Mythen stärker zustimmen, sondern zudem diejenigen, die gerade zuletzt Existenzängste hatten und finanzielle Einbußen hinnehmen mussten. Eine bessere finanzielle Abfederung dieser durch die Krise entstandenen finanziellen Folgen für benachteiligte Gruppen wäre ein wichtiger erster vertrauensbildender Schritt. Generell gilt es aber für die künftige Koalition, den Sozialstaat so umzubauen, dass Menschen, die besonders auf ihn angewiesen sind, ihm wieder mehr vertrauen können.

Dr. Andreas Hövermann ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung im Projekt „Soziale Lebenslagen und demokratische Integration".

Weitere Informationen

Podcast Systemrelevant, Folge 77, mit Dorothea Voss und Bettina Kohlrausch: Schützt gute Arbeit vor antidemokratischen Einstellungen?

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