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HANS Editorial 05/2022 Johanna Wenckebach Service aktuell

Betriebsratswahlen: Demokratie im Betrieb für eine gute Zukunft

Die Betriebsratswahlen offenbaren die riesigen Herausforderungen, vor denen die betriebliche Mitbestimmung steht. Ihr hoher Wert bleibt unbestritten, schreibt Johanna Wenckebach. Sie setzt sich für eine tiefgreifende Reform ein.

[28.2.2022]

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach seiner Wiederwahl eine, wie ich finde, sehr große Rede gehalten und die Kraft der Demokratie beschworen. Zuvor hat er auf einer Veranstaltung der IG Metall Beschäftigte dazu aufgerufen, sich in Betriebsräten zu engagieren und an den anstehenden Wahlen teilzunehmen, die Gewerkschaften und Aktive in den Betrieben sehr beschäftigen.

„Transformation wird nur mit Mitbestimmung gelingen“, sagte der Bundespräsident. Mitbestimmung sei kein Wagnis, sondern Akt demokratischer Vernunft. Das sind wichtige Botschaften zur rechten Zeit. Denn Demokratie auch hinter den Werkstoren ist kein Selbstläufer.

Die Forschung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass viel zu wenige Beschäftigte durch Betriebsräte vertreten werden. In manchen Betrieben werden erstmalige Wahlen oder Betriebsratsgründungen sogar aktiv bekämpft. Die Liste der Unternehmen, die Mitbestimmung verhindern wollen, ist lang.

Die diesjährigen Betriebsratswahlen sind aber auch in Betrieben, in denen engagierte Betriebsräte und die Mitbestimmung etabliert sind, eine besonders große Herausforderung. Unter den anhaltenden Bedingungen der Pandemie mit vielen Beschäftigten im Homeoffice sowie einer gerade erst reformierten Wahlordnung sind demokratische Wahlen kein Selbstläufer.

Und natürlich ist es nicht egal, wer gewählt wird! Die Herausforderungen, die Betriebsräte zu bewältigen haben, sind riesig. Der ökologische Umbau der Wirtschaft und die Digitalisierung können nur mit starken Interessenvertretungen demokratisch bewältigt werden. Aber auch das „Alltagsgeschäft“ von Betriebsräten ist essenziell für wirksame Arbeitnehmerrechte. Wer sich für das Ehrenamt zur Wahl stellt, verdient Respekt und Dank. Darauf macht auch die Kampagne des DGB #Betriebsratswahl2022 aufmerksam.

Mitbestimmung ist der Schlüssel zu mehr Demokratie in der Wirtschaft, und sie sorgt unter anderem für mehr Jobsicherheit, höhere Einkommen und einen besseren Gesundheitsschutz – in der Pandemie und darüber hinaus. Ob diese Einsicht auch bei den Koalitionsverhandlungen herrschte, ist allerdings fraglich. Hinter dem Satz im Koalitionsvertrag, die Mitbestimmung „weiterentwickeln“ zu wollen, kann alles oder nichts stehen.

Deswegen werden wir, eine Arbeitsgruppe aus Jurist:innen von DGB und Mitgliedsgewerkschaften, Hugo Sinzheimer Institut (HSI) und einigen Professor:innen Anfang April konkrete Vorschläge für eine zeitgemäße, starke Betriebsverfassung unterbreiten. Es geht um eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die weit über das 2021 verabschiedete Betriebsrätemodernisierungsgesetz hinaus geht. Wir arbeiten an einem „großen Wurf“.

Dr. Johanna Wenckebach ist Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht

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