: Prominente Türöffner
LOBBYISTEN Zahlreiche Ex-Politiker oder ehemalige Manager stehen auf den Gehaltslisten von Finanzinvestoren. Eine ihrer Aufgaben: die alten Kontakte nutzen.
Von PHILIPP WOLTER, Redakteur in der Hans-Böckler-Stiftung
RUDOLF SCHARPING und VOLKER RÜHE (1) hatten nicht nur auf der Bonner Hardthöhe denselben Arbeitgeber. Die beiden ehemaligen Verteidigungsminister sind heute bei der Private-Equity-Gesellschaft Cerberus unter Vertrag. Sie fungieren dort als Berater ("Senior Adviser"). Cerberus trat in Deutschland vor allem durch Immobilienkäufe in großem Stil in Erscheinung. So übernahm die Investmentfirma 2005 die BauBeCon-Gruppe (ehemals Neue Heimat Niedersachsen) mit ihren über 20 000 Wohnungen. Inzwischen hat Cerberus das Paket an einen italienischen Investor weitergereicht.
FLORIAN GERSTER (2) musste nach seinem Abschied von der Bundesagentur für Arbeit im Januar 2004 nicht lange auf neue Aufgaben warten. Fünf Monate nachdem die Affäre um teure Beraterverträge ihn den Chefsessel der BA gekostet hatte, informierte der US-Beteiligungsfonds Fortress die Presse, Gerster sei nun Vorsitzender seines "Investitionsbeirats für Deutschland". Auf diesem Posten soll er Fortress "bei Privatisierungen der öffentlichen Hand begleiten". Dazu qualifiziere ihn unter anderem seine Expertise als langjähriger rheinland-pfälzischer Sozialminister. Fortress kaufte im Juli 2004 die Wohnungsgesellschaft GAGFAH mit 81 000 Wohnungen von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.
Im Oktober 2006 brachte Fortress die GAGFAH an die Börse. FRIEDRICH MERZ (3), MdB und bis Ende 2004 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSUBundestagsfraktion, ist Partner der Anwaltssozietät Mayer, Brown, Rowe & Maw. In dieser Funktion beriet er den Hedge-Fonds TCI, dem es auf der Hauptversammlung der Deutschen Börse im Mai 2005 gelang, den damaligen Vorstandsvorsitzenden Werner Seifert zum Rücktritt zu zwingen. Wenige Monate später nahm auch Aufsichtsratschef Rolf E. Breuer seinen Hut. Seit Juli 2005 sitzt Merz selbst im Aufsichtsrat der Deutschen Börse.
KARL OTTO PÖHL (4) war von 1980 bis 1991 Präsident der Deutschen Bundesbank. Nach seinem Ausscheiden ging der Hüter der D-Mark a. D. zunächst zur Privatbank Sal. Oppenheim & Cie. Heute sitzt Pöhl im Advisory Board der Carlyle Group, einer der weltweit größten Investmentgesellschaften. Carlyle war auch einer der ersten Private-Equity-Investoren, der deutsche Unternehmen aufkaufte. Bereits 1999 übernahm die Gesellschaft den Autozulieferer Honsel. Carlyle stieg außerdem beim Zünd- und Glühkerzenhersteller Beru und beim Cabrioverdeck-Spezialisten Edscha ein.
HANS-MARTIN BURY (5), von 1999 bis 2002 Staatsminister im Bundeskanzleramt und anschließend im Auswärtigen Amt, ist heute Managing Director bei der Investmentbank Lehman Brothers. Dort ist er für den Bereich Privatisierung öffentlicher Infrastruktur zuständig. Bury war als Mitarbeiter des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder maßgeblich an der Abwicklung der Deutschland AG beteiligt:
Die Kapitalmarktförderungsgesetze der rot-grünen Regierung tragen seine Handschrift. Er saß als Vertreter des Bundeskanzlers in den Regierungskommissionen zu Corporate Governance und zur Regelung von Unternehmensübernahmen. In den 90er Jahren war Bury Verhandlungsführer der SPD-Bundestagsfraktion bei der Liberalisierung des Post- und Telekommarkts.
HEINZ-JOACHIM NEUBÜRGER (6), der 2006 seinen Posten als Finanzchef bei Siemens aufgab, steht heute in den Diensten der USBeteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts (KKR). Bereits als Siemens-Vorstand hat er Tochterunternehmen des Münchner Konzerns an Private-Equity-Unternehmen verkauft, unter anderem an KKR. Neubürger, der wegen möglicher Verstrickungen in die Siemens-Korruptionsaffäre inzwischen ins Visier der deutschen Staatsanwaltschaft geraten ist, gehöre nun zum Londoner Kernteam von KKR, teilte das Unternehmen im Juni mit. KKR hält unter anderem Anteile an ProSiebenSat.1, dem Dualen System Deutschland und Auto-Teile-Unger.
WOLFGANG BERNHARD (7), bis 2004 Vizechef bei Chrysler und anschließend Markenchef bei VW in Wolfsburg, wechselte im Januar 2007 zu Cerberus Capital Management. Die Investmentgruppe übernahm wenige Monate später die Mehrheit an Chrysler. Als Berater des Finanzinvestors half Bernhard den Chrysler-Deal einzufädeln. Zwischenzeitlich wurde der intime Kenner der sanierungsbedürftigen Detroiter Autoschmiede als Chryslers neuer Verwaltungsratschef gehandelt. Bernhard lehnte jedoch ab.
RON SOMMER (8), Ex-Telekom-Chef, ist Senior Advisor bei Blackstone, einer US-Beteiligungsgesellschaft, die im April 2006 bei der Deutschen Telekom einstieg. Blackstone verwaltet nach eigenen Angaben knapp 90 Milliarden Dollar. An der Deutschen Telekom hält das Unternehmen einen Anteil von 4,5 Prozent. Im vergangenen Jahr aufgekommene Gerüchte, Blackstone plane eine Komplettübernahme der Telekom, wies die Investmentgesellschaft umgehend zurück. Als Oberaufseher für das Deutschlandgeschäft beschäftigt Blackstone einen weiteren Angehörigen der hiesigen Wirtschaftsprominenz: ROLAND BERGER.
Die Strategie, sich Prominente ins Boot zu holen, wenden Finanzinvestoren nicht nur in Deutschland an. So hat der britische Hedge-Fonds Centaurus Capital den ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten JOSÉ MARIA AZNAR (9) und Großbritanniens früheren Finanzminister KENNETH CLARKE als Berater verpflichtet. Der ehemalige US-Finanzminister und Ex-Harvard-Präsident LAWRENCE SUMMERS arbeitet für den Hedge-Fonds DE Shaw. Großbritanniens Ex-Premier JOHN MAJOR heuerte 2001 als European Chairman der Private-Equity-Gesellschaft Carlyle Group an - ein Unternehmen, auf dessen Gehaltslisten auch schon GEORGE BUSH SENIOR (10) und dessen Außenminister JAMES BAKER standen.