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Guido Neidhöfer vor dem ZEW: „Ungleichheiten sind nur akzeptabel, wenn sie das Ergebnis unterschiedlicher persönlicher Anstrengungen sind.“ Magazin Mitbestimmung

Altstipendiat: Der Chancen-Ökonom

Ausgabe 09/2018

Guido Neidhöfer, ein Nachwuchswissenschaftler mit viel internationaler Erfahrung, hat sein Thema gefunden: Chancengleichheit und soziale Mobilität. Seine Forschungen zeigen, wie der Staat Bildungschancen fairer verteilen kann. Von DIRK MANTEN

Grundschulbesuch in Florenz, Abitur in Bonn, Bachelorstudium in Rom, Masterstudium und Promotion in Berlin, dazwischen teils mehrmonatige Forschungsaufenthalte in Städten wie Buenos Aires oder Lima: Guido Neidhöfer (33) kann auf eine so buntscheckige wie internationale Bildungsbiographie zurückblicken. Die internationale Perspektive prägt auch die wissenschaftliche Arbeit des zugewandt-freundlichen Ökonomen.

Neidhöfer, der in Rom geboren wurde und neben der deutschen auch die italienische Staatsbürgerschaft besitzt, hat 2017 im Böckler-Promotionskolleg „Steuer- und Sozialpolitik bei wachsender Ungleichheit“ promoviert. Sein Thema war der globale Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und sozialer Mobilität, also sozialem Aufstieg in der familiären Generationenfolge, der vor allem durch höhere Bildungsabschlüsse bedingt ist.

Dabei konnte Neidhöfer unter anderem zeigen, dass Menschen aus bildungsfernen Familien, die zudem in ihrer Kindheit mit einem hohen Maß an sozialer Ungleichheit konfrontiert waren, geringere Chancen haben, ihren sozialen Status im Vergleich zu dem ihrer Eltern zu verbessern, als dies bei bildungsnahen Familien der Fall ist. Menschen aus bildungsnahen Familien sind demnach in der Tendenz dazu in der Lage, vor allem in Zeiten hoher Einkommensungleichheit die soziale Position der Eltern zu halten oder gar auszubauen. „Aus diesem Ergebnis kann man die klare Forderung ableiten, dass der Staat durch Investitionen, die darauf abzielen, Kindern aus bildungsfernen Familien einen Zugang zu besseren Bildungsmöglichkeiten zu schaffen, die Chancengleichheit stärken sollte“, so Guido Neidhöfer, der sich selbst als „Bildungsökonom“ bezeichnet.

Chancengleichheit ist generell ein zentrales Thema der wissenschaftlichen Arbeit des Altstipendiaten: „Sie hat eine ökonomische Bedeutung, da eine erfolgreiche Volkswirtschaft auf die Förderung aller vorhandenen Talente und Fähigkeiten angewiesen ist. Vor allem sollte aber auch jeder eine faire Chance zur Entfaltung der Persönlichkeit bekommen. Aus meiner Sicht sind Ungleichheiten nur dann akzeptabel, wenn sie das Ergebnis persönlicher Anstrengungen sind, nicht jedoch, wenn sie durch unterschiedliche Startbedingungen zustande kommen“, fasst der Wissenschaftler seine Position zusammen.

Chancengleichheit ist aber auch jenseits des professionellen Wissenschaftsbetriebs ein Thema für Neidhöfer. Von seinen Eltern, einem deutsch-italienischen Ehepaar, beide Astrophysiker, hat der Vater zweier Kinder eine „Sensibilität für Benachteiligte“ übernommen und versucht auch durch privates Engagement Benachteiligungen abzubauen. So hat er während seines Bachelorstudiums in Rom zusammen mit Kommilitonen eine Art Vorschule für Sinti- und  Romakinder gegründet und dort über mehrere Jahre hinweg einen Tag in der Woche in Fächern wie Geografie und Italienisch unterrichtet.

In der peruanischen Hauptstadt Lima arbeitete Neidhöfer über einen längeren Zeitraum in einem Projekt für Kinder und Jugendliche mit, die von Klebstoff-Lösemitteln und anderen Drogen abhängig waren. Nach Abschluss seiner Promotion war Neidhöfer, der auch Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist, einige Monate als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim  Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin tätig.

Seit Herbst 2018 ist er Beschäftigter in der Abteilung „Arbeitsmärkte, Personalmanagement und soziale Sicherung“ des renommierten Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Seinem Kernthema, Ursachen und Folgen ökonomischer Ungleichheit und sozialer Mobilität, wird er auch dort verbunden bleiben, auch, weil seine Forschungstätigkeit in diesem Bereich in der Wissenschaftscommunity bereits Anerkennung gefunden hat.

So wurde Guido Neidhöfer bereits 2016 für eine Studie im Vorfeld seiner Doktorarbeit, die den Zusammenhang zwischen ökonomischer Ungleichheit und den sozialen Aufstiegschancen einer Generation in Lateinamerika untersucht, mit dem mit 2500 US-Dollar dotierten „Nancy and Richard Ruggles Memorial Price“ für Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnet. Für Hobbys im engeren Sinn bleibt wenig Platz, seit Neidhöfer Vater geworden ist. Nur Reisen und Sprachen beschäftigen ihn weiter, „jetzt eben mit Familie.“

 

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