: Editorial
Ach, Europa
von Margarete Hasel
Margarete-Hasel@boeckler.de
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
überall nur "No" und "Nee". So votierten mehrheitlich unlängst die Franzosen und die Niederländer. Wollen sie sie tatsächlich nicht - die Europäische Verfassung? Und was, wenn wir hätten wählen können? Michael Sommer, der Vorsitzende des DGB, rückt in seinem Interview auf Seite 10 ff. zurecht: "In der Gesamtschau steht für die deutschen Gewerkschaften fest: Diese Verfassung wäre ein Fortschritt gegenüber dem jetzigen Zustand. Allein die Aufnahme der Charta der sozialen Grundrechte steht auf der Habenseite."
Die politischen Kräfteverhältnisse in Europa nach den Referenden in Frankreich und in den Niederlanden bleiben unübersichtlich. Dabei müssten die sozialen Konturen Europas dringend geschärft werden. Die große Zahl der "No" und "Nee" verlangt dies ebenso wie die Ergebnisse der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Immerhin rühmt sich inzwischen Wahlsieger Jürgen Rüttgers, der "größten Arbeiterpartei des Landes" vorzustehen.
In dieser Ausgabe überprüfen wir deshalb die Reichweite politisch-operativer Instrumente: Wie tauglich ist die so genannte Offene Methode der Koordinierung, um die Vielfalt der nationalen Sozialpolitiken zu koordinieren? Darüber reflektiert der Osnabrücker Politologe Klaus Busch in seinem Beitrag auf 25ff. Wie wirkungsmächtig können nationale Arbeitnehmer-Entsendegesetze sein? Dazu haben wir Ernst-Ludwig Laux von der IG BAU befragt - Seite 34 ff. Vor allem aber geht der Hamburger Soziologe Jürgen Hoffmann der Frage nach, warum alles darauf hin deutet, dass die so genannte Lissabon-Strategie zu scheitern droht, und damit die ehrgeizige Verpflichtung, aus Europa die "dynamischste und wettbewerbsfähigste Wirtschaft der Welt" zu machen.
"Zugzug im Rohbau", so titelten wir im Mai 2003 im Vorfeld der EU-Erweiterung. Inzwischen ist die EU auf 25 Mitgliedsstaaten angewachsen. Jetzt konstatieren wir, dass der "Innenausbau im Verzug" ist. Packen wir's gemeinsam an.
