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SW-Porträt des Zeichners Matthias Lehmann (l.) und Cover graphic story zu Hans Böckler Magazin Mitbestimmung

Kunst: „Das Zeichnen ist der kleinere Teil der Arbeit“

Ausgabe 01/2025

Illustrator Matthias Lehmann erklärt, wie er Zeitgeschichte in eine Graphic Novel verwandelt. Das Gespräch führte Kay Meiners

Sie haben für unser Magazin Szenen aus dem Leben Hans Böcklers umgesetzt. Wie nähern Sie sich einer historischen Figur?

Lesen, ganz viel lesen! Auch über das hinaus, was ich später brauche: In welcher Zeit hat die Figur gelebt? Was war ihre Motivation, ihr Umfeld? Daneben sammle ich visuelles Material – Fotos und Filme. Für größere Projekte befrage ich auch Zeitzeugen.

Sie brauchen aber auch Fantasie?

Ja. Wenn es kein Kinderfoto von Hans Böckler gibt, muss ich überlegen: Wie könnte er ausgesehen haben? Was ich mache, ist Kunst, keine exakte historische Wahrheit. Es gibt ein gewisses Maß an Anschaulichkeit, aber auch an Abstraktion.

Ihre Werke haben oft mehr als 400 Seiten, wie etwa „Parallel“, ein Comic über das Schwulsein in der Nachkriegszeit. Für „Böckler“ hatten wir nur zehn Seiten. Ist das besonders schwierig?

Die Dimensionen sind extrem unterschiedlich. Damit die kurze Form funktioniert, muss besonders viel Vorarbeit investiert werden, um Schlüsselszenen der Biografie zu identifizieren.

Das Zeichnen ist nur ein Bruchteil der Arbeit?

Absolut. Vorher kommen die Recherchen, das Aufschreiben von Szenen und Dialogen, dann das Zeichnen von Storyboards. Für „Parallel“ habe ich mit einem Redakteur zusammengearbeitet, für den Böckler-Comic mit der Magazin-Redaktion.

Ein Batman-Comic soll Sie im Alter von 16 Jahren zum Zeichnen gebracht haben. Welche Erinnerung haben Sie an die Lektüre?

Comics bieten einen Zugang zu einer anderen Welt und zu einer anderen Ästhetik. Das hat mich interessiert, das Düstere, das Geheimnisvolle – Welten, in denen es Licht und Schatten gibt. Natürlich habe ich auch Batman-Filme im Kino geguckt oder die Simpsons im Fernsehen.

Sie waren so fasziniert, dass Sie selbst zeichnen wollten. Warum?

Weil man durch das Zeichnen mit einfachen Mitteln alles zeigen und ganze Welten erschaffen kann. Ich brauche nicht das Millionenbudget für einen Film, und ich kann trotzdem eine eigene Ästhetik schaffen. Anders als ein reines Buch gibt ein Comic ja auch visuell etwas vor.

Dass eine Einrichtung wie unsere Stiftung auf Sie zukommt – ist das ein üblicher Weg, zu einem Stoff zu kommen?

Die meisten Stoffe suche ich selbst aus, gerade für die größeren Projekte.

Woran arbeiten Sie gerade?

Als Nächstes wird eine Graphic Novel über die Nachwendezeit und die Gewalt erscheinen, die auftritt, wenn sich sich plötzlich alles ändert. Was ist damals mit den Arbeitsplätzen, den sozialen Beziehungen und der Gesellschaft geschehen? Das interessiert mich.

Graphic Novels sind gerade sehr beliebt. Bieten sie einen leichteren Zugang zu komplexen Stoffen als Bücher?

Sicher nicht in dem Sinne, dass Bücher durch solche Comics verdrängt werden. So eine These geben die Verkaufszahlen nicht her. Was stimmt: Ich will Stoff einfach erschließbar machen. Der Böckler-Comic ist auch für Jugendliche gemacht.


MATTHIAS LEHMANN

Der Comic-Zeichner und Illustrator hat an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert. Neben der Graphic Novel „Parallel“ hat Lehmann Kinderbücher, Onlineprojekte und einen Kunst-Comic über den französischen Impressionisten Claude Monet realisiert. Geboren wurde Lehmann 1983 in Dresden, heute lebt er mit seiner Familie in Leipzig.

Mehr zum Künstler und seiner Arbeit auf: https://comicmatscher.blogspot.com/

cover comic

Hans Böckler - Arbeiter, Gewerkschafter, Idealist“. Gezeichnet von Matthias Lehmann. Februar 2025.

Der Böckler-Comic wird Mitte/Ende März auch als Sonderdruck im gleichen Umfang wie im Magazin erscheinen. Voranmeldungen für Gratisexemplare bitte an: redaktion[at]boeckler.de

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