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Der DGB und die Hans-Böckler-Stiftung haben einen Atlas herausgebracht, der das Phänomen der Arbeit beschreibt – global, faktenreich und oft überraschend. Magazin Mitbestimmung

Von GUNNAR HINCK: Atlas der Arbeit: Fakten, Trends und Diskussionen

Ausgabe 06/2018

Stiftung Wie steht es um Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte in Deutschland und der Welt? Der „Atlas der Arbeit“ von Hans-Böckler-Stiftung und DGB bietet eine Vielfalt von auf den Punkt gebrachten, solide recherchierten und prägnant illustrierten Informationen für alle, die zum Thema Arbeit mitdiskutieren wollen.

Von GUNNAR HINCK

Nur ein Drittel der Weltbevölkerung ist sozial abgesichert. 1,4 Milliarden Menschen sind prekär beschäftigt. 3,2 Millionen Arbeitnehmer in Europa und Mittelasien arbeiten als „moderne Sklaven“. Heutige Sklaven arbeiten nicht auf Baumwollfeldern, sondern als rechtelose Haushaltshilfen mitten in Europa, als Zwangsprostituierte oder in Arbeitslagern.

Diese beunruhigenden Zahlen und Hintergründe zeigt der neue „Atlas der Arbeit“ von DGB und Hans-Böckler-Stiftung auf, der im Mai in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die knapp 60-seitige, kostenlose Publikation beschreibt die vielfältigen, weltweiten Dimensionen von Arbeit.

Viele Staaten verletzen das Streikrecht und das Recht auf Tarifverhandlungen

Der Atlas blicke über den nationalen und europäischen Tellerrand hinaus, betonte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. So erfährt der Leser beispielsweise, dass über 80 Prozent der Staaten das Streikrecht und das Recht auf Tarifverhandlungen verletzen. Selbst EU-Staaten wie Spanien, Polen und Großbritannien verstoßen wiederholt gegen gewerkschaftliche Rechte.

Der Blick auf Asien zeigt, dass China und Indien den Höhepunkt der Industrialisierung bereits überschritten haben – die Konkurrenz zu Europa in dem Sektor wird eher wieder abnehmen. Indien hat den Anschluss an das Dienstleistungszeitalter versäumt: Der Staat investierte nicht genug in Bildung, die für qualifizierte Dienstleistungsberufe nötig ist.

In China stellt sich das Problem auf andere Weise dar: Durch die strikte Bevölkerungspolitik werden Arbeitskräfte rar – und damit steigen auch die Löhne. Der breite Wohlstand wächst.

Der Atlas der Arbeit ist in 25 kompakte Kapitel unterteilt, die zur Hälfte aus Text und Karten bestehen und einen kompakten Überblick zum Stand der Dinge bei Themen wie Einkommen, Rente, EU-Migration, Care-Arbeit und Grundeinkommen abbilden. Die Macher des Atlas‘ – produziert wurde er von der Berliner „Atlas-Manufaktur“, verantwortlich sind Hans-Böckler-Stiftung und DGB – legen dabei Wert auf objektive Informationen und halten sich mit Wertungen zurück.

Der Geschäftsführer der Hans-Böckler-Stiftung, Michael Guggemos, sieht den Atlas der Arbeit als Fortsetzung der Kommission „Arbeit der Zukunft“, die im vergangenen Jahr ihre Ergebnisse präsentiert hat. Die Publikation widmet sich auch in mehreren Kapiteln der Digitalisierung und dem Wandel der Arbeit insgesamt. „Arbeit in Zeiten der Digitalisierung kann nicht mehr ausschließlich mit den herkömmlichen Begriffen wie Arbeitnehmer, Unternehmer oder Betrieb erfasst werden“, sagte Guggemos. Beispielsweise sei beim Crowdworking oder digitalen Plattformen wie dem Lieferdienst „Deliveroo“ unklar, ob der Solo-Selbständige ein Unternehmer oder nicht doch ein Arbeitnehmer ist. „Viele Arbeitnehmer wollen selbstbestimmtere Arbeitszeiten, die zum Leben passen. Der Wunsch danach ist deshalb nicht nur aus der Kostenlogik der Unternehmen zu betrachten“, ergänzte der Geschäftsführer der HBS.

Wandel der Arbeit konstruktiv begleiten

Guggemos wies auch auf die zahlreichen Widersprüche in der Diskussion um die digitale Wirtschaft hin: „Die Drohkulisse von millionenhaften Arbeitsplatzverlust taugt nicht, wenn einerseits über die Arbeitsplatzgefahren des autonomen Fahrens gesprochen wird und anderseits der Arbeitskräftemangel von zigtausenden Bus- und LKW-Fahrern an die Wand gemalt wird“, nannte er ein Beispiel.

Dazu liefert der Atlas der Arbeit umfangreiche Informationen – und auch ein weiteres bedenkenswertes Detail nennt die Publikation mit Blick auf die Digitalisierung: Die Mehrheit der Beschäftigten in Deutschland meint, dass durch die Digitalisierung ihre Arbeitsmenge eher größer als kleiner geworden ist. Auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe sich nichts verbessert, sagt die große Mehrheit. Das klang einmal anders: Die Digitalisierung werde die Menschen entlasten, lautete das Versprechen. Es gibt noch viel Diskussionsbedarf zur Arbeit der Zukunft. Für alle, die sich daran kompetent beteiligen wollen, bietet der Atlas der Arbeit eine solide Wissensgrundlage.

WEITERE INFORMATIONEN

„Atlas der Arbeit“ (u. a. PDF-Download, alle Grafiken)

Forschungsstelle Arbeit der Zukunft

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