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Magazin Mitbestimmung

: 'Aktien sind auf Dauer die überlegene Anlage'

Ausgabe 01+02/2004

Für Heribert Karch, Geschäftsführer der MetallRente, sind Pensionskassen das modernste Instrument der betrieblichen Alterssicherung. Allerdings muss der Gesetzgeber noch nachbessern, damit sie attraktiver werden.

Herr Karch, bislang hat erst ein Drittel aller Unternehmen ihren Beschäftigten ein Angebot zur betrieblichen Altersvorsorge unterbreitet, auf das diese seit dem 1. Januar 2002 einen Rechtsanspruch haben. Das hat eine Infratest-Studie1 im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung unlängst ermittelt. Warum läuft das so zögerlich?
Es läuft den Rahmenbedingungen entsprechend. Der Arbeitnehmer muss bei seinem Arbeitgeber beantragen, dass dieser ihm ein Instrument für seine Eigenvorsorge zur Verfügung stellt. Natürlich haben die größeren Unternehmen darauf nicht gewartet, sondern ihren Arbeitnehmern sofort Angebote unterbreitet, um Mitarbeiterbindung herzustellen und Möglichkeiten zur Ersparnis von Lohnnebenkosten zu nutzen. Die Unternehmen mittlerer Größe haben zunächst abgewartet und tun dies teilweise heute noch. MetallRente ist jetzt mit über 5500 Unternehmen auch im Mittelstand breit angekommen, aber wir spüren, dass es viele kleine Unternehmen gibt, in denen der Arbeitnehmer nicht fragt und der Arbeitgeber auch nicht initiativ ist. Man kann die Ergebnisse der Infratest-Studie nicht ernst genug nehmen, weil es auf Dauer schädlich ist, wenn die zweite Säule der Altersversorgung bei den kleinen Unternehmen nicht ankommt. Es kann nicht sein, dass ein Arbeitnehmer in der für ihn in den meisten Fällen unattraktiveren dritten Säule privat vorsorgt, bloß weil sich in der zweiten Säule nichts tut.

Nicht wenige Gewerkschafter setzen nach wie vor auf die gesetzliche Rente und halten auch 25 Prozent Beitrag für vertretbar. Ist die Zurückhaltung auch politisch-ideologisch motiviert?
Ich glaube es nicht. Natürlich könnte unsere Gesellschaft ihre Alterssicherung auch weiter wie bisher organisieren. Dann eben mit 25 oder mehr Beitragspunkten, die als Lohnnebenkosten zu Buche schlagen. Wäre das gesellschaftlich akzeptiert, wäre das in Ordnung. Aber das ist es nicht. Die Notwendigkeit der Eigenvorsorge wird von vielen Arbeitnehmern durchaus gesehen. Aber wir haben in so einem Prozess immer eine gewisse Zeitverzögerung von der Einsicht bis zur Umsetzung in der eigenen Lebenspraxis. Das Budget in einem normalen Arbeitnehmerhaushalt ist verteilt. Da wollen Umschichtungen wohl überlegt sein.

Die Notwendigkeit zur Eigenvorsorge wird insbesondere mit der demografischen Entwicklung begründet. Doch was passiert, wenn alle auf Aktien setzen und in 20 Jahren niemand da ist, der die Papiere kauft, …
… und alle verkaufen, um die Rentenauszahlungen zu finanzieren? So eingleisig läuft die Entwicklung nicht. Demografien auf der Welt entwickeln sich unterschiedlich. Und die Anlagenpolitik ist dagegen weltweit diversifiziert. Andererseits: Die Anfälligkeiten des umlagefinanzierten Systems gegenüber der Arbeitsmarkt- und der demografischen Entwicklung liegen auf der Hand. Deshalb soll es nicht ersetzt, aber ergänzt werden.

Die Abhängigkeit des kapitalgedeckten Systems von Wirtschaftszyklen und Börsenschwankungen hingegen konnten wir jüngst live erleben.
Richtig, das ist systemimmanent und nicht vermeidbar. Wir müssen alle lernen, Risiken genauer zu bewerten. Sich alleine auf die erste Säule verlassen ist zu viel Risikokonzentration. Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen gefühltem und tatsächlichem Risiko. Beim Immobilienerwerb ist das gefühlte Risiko niedriger als das tatsächliche, bei der Aktienanlage ist es eher umgekehrt. Und auch über die Risiken von Lebensversicherungen lesen wir täglich in der Presse. Infolge der Aktienkrise mussten die Versicherungen ihre Verluste aus Aktienanlagen abschreiben und die Überschussverzinsung senken. Nun werden wir gespannt beobachten, wie demgegenüber das Potenzial für gute Verzinsung bei einem Pensionfonds aussieht. Risiko kann also nie ausgeschaltet, sondern immer nur minimiert werden. Und das geschieht besonders stark über die Dauer der Anlage.

Hat Deutschland aus den Erfahrungen in den USA oder Großbritannien gelernt, wo die Pensionsfonds rund ein Viertel ihres Werts verloren haben?
Eindeutig. Über die Beitragszusage ist bei uns der Rückfluss des Nominalbeitrages auch bei Pensionsfonds gesichert. Das bedeutet eine Mindestsicherheit, vor allem aber zwingt es zu einer Kapitalanlageform, die ein gewisses Sicherheitsmaß in die innere Architektur einbaut und von vorneherein großen Wert auf Risikomanagement legen muss. Das unterscheidet uns von angelsächsischen Pensionsfonds. Unser System ist eine optimale Synthese zwischen der Chance zur hohen Verzinsung und dem Bedürfnis nach Sicherheit.

Trotzdem greift nur eine Minderheit zu.
Auch unsere Klientel zieht derzeit zu 89 Prozent die versicherungstechnische Pensionskasse vor. Das ist natürlich in Ordnung, aber man muss wissen, dass etwas mehr Garantie deutlich mehr Geld kostet. Dass der Pensionsfonds als das modernste Instrument der Alterversorgung in der zweiten Säule seine PS derzeit noch nicht wirklich auf die Straße bringen kann, hängt unter anderem mit einem Webfehler im System zusammen, der beseitigt werden muss: Laut Gesetz ist beispielsweise die Übernahme von arbeitgeberfinanzierten Pensionsrückstellungen aus Unternehmen in den Pensionsfonds möglich. Doch dies kann realiter nicht umgesetzt werden, weil der Arbeitgeberbeitrag die arbeitnehmerseitige Entgeltumwandlung verdrängen würde. Deshalb fordern wir, dass die vier Prozent der Bemessungsgrenze von Arbeitgeber und Arbeitnehmer separat steuerlich gefördert eingebracht werden können, und nicht zusammen. Das sieht Hans Eichel aber noch anders.

Wie hoch kann die Aktienquote sein, ohne die eingebauten Sicherungselemente zu gefährden?
Theoretisch 100 Prozent, wir halten sie in einer Maximalhöhe bis zu 80 Prozent. Das erscheint recht hoch, ist aber verbunden mit einem Wertsicherungsmanagement, das Korrekturen sogar über Nacht erlaubt, wenn die Märkte markant fallen würden. Und Zahlungsverpflichtungen werden durch ein separates Sicherungsmodul nie gefährdet. Wir haben einen langfristigen Anlagehorizont, nämlich bis zum Rentenalter, und da sind Aktien eben die überlegene Anlagenklasse.

Welche Renditeerwartungen sind derzeit realistisch? Tatsächlich zweistellig, wie anfangs geträumt wurde?
Niemand würde heute zweistellige Renditeprognosen machen. Unser Pensionsfonds hat beispielsweise in seinem abgelaufenen ersten Geschäftsjahr 7,2 Prozent gemacht. Das ist ein anständiger Gewinnzuschlag gegenüber traditionellen Instrumenten. Suchen Sie mal einen Investmentfonds am Markt, der so einen Return bringt und gleichzeitig mindestens Ihre Einlage garantiert!

Die Riestersche Rentenreform hat den Tarifparteien eine besondere Rolle zugewiesen. Bedeutet dies eine Aufwertung der Tarifpolitik und eine neue Chance für den Flächentarif?
Das sehe ich so. Der im Gesetz formulierte Tarifvorbehalt hat den Tarifparteien die Möglichkeit eröffnet, ein Angebot zu entwickeln, mit dem man auch Kleinbetriebe erreichen kann. Die Tarifparteien haben diesen Ball aufgenommen. Ich bin zutiefst überzeugt, dass sie damit ein Politikfeld betreten haben, in dem echte Win-win-Situationen kreiert werden können - mit einem Maximum an Zuverlässigkeit, Sicherheit und Ergebnis für alle. Es ist segensreich, dass dieser neue Markt nicht einfach der privaten Finanzdienstleistungsindustrie überlassen wurde, sondern regulierte Versorgungswerke geschaffen wurden, die nach Tarifnormen zu agieren haben. Das ist eine gewisse Restriktion, aber es ist gleichzeitig auch unsere Stärke.

Was entgegnet der ehemalige Tarifpolitiker Karch denjenigen, die davor warnen, dass der Tarifvertrag überfordert ist, wenn er als Reparaturbetrieb für Einschnitte ins soziale Netz einspringen soll?
Die Hauptangst ist doch, dass mehr sozialstaatlicher Abbau in die tarifpolitische Verteilungsmasse reingepackt wird und verteilungspolitisch aufgefangen werden soll. Selbst wenn dem so ist, ist dies das Ergebnis einer Sozialstaatspolitik unter europäisierten und globalisierten Bedingungen und auch unter wachsenden demografischen Problemen. Wer das zur Kenntnis nimmt, weiß, dass er dem Problem nicht einfach entrinnen kann, indem er eine andere Politikabteilung zuständig erklärt. Wir können es uns nicht mehr leisten, nur auf die erste Säule zu starren. Die neue Lastenverteilung zwischen erster und zweiter Säule bietet auch neue Chancen.

Der Aufbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge ist mit viel Geld verbunden. Um den Anteil der betrieblichen Säule von derzeit fünf auf rund 15 Prozent zu erhöhen, müssten zusätzliche 660 Milliarden Euro angesammelt werden. Das summiert sich dann auf rund eine Billion - knapp 30 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Das klingt nach furchtbar viel. In den Niederlanden oder in Großbritannien bewegen sich die Anlagen in der zweiten Säule in einer Größenordnung von 80 bis 110 Prozent des Bruttosozialprodukts. Das ist also kein besonders hoher Wert, sondern eine Summe, die dem gesellschaftlichen Wandel angemessen ist, um den es hier geht.

Jedenfalls macht sie die Altersvorsorge zu einem attraktiven und turbulenten Markt. Was muss geändert werden, damit dieser Markt übersichtlicher und transparenter wird?
Nach wie vor ist das Verhältnis zwischen zweiter und dritter Säule ungeklärt. Der Gesetzgeber muss deshalb dringend für Klarheit sorgen, dass die zweite Säule wirklich die zweite Säule werden kann. Da sehe ich im Moment in den Kabinettsbeschlüssen zum Alterseinkünftegesetz2 leider einiges, was diesem Prozess zuwider läuft. Der Förderungsrahmen für die dritte Säule soll erhöht, der für die zweite eingeschränkt, die Krankenversicherungsbeiträge zum zusätzlichen Klotz am Bein werden. Gleichzeitig will man den privaten Riestermarkt gelenkiger machen, aber zugunsten des Anbieters statt des Kunden. Die Zertifizierungsregeln - ein wichtiges Transparenzgebot für den Verbraucher - sollen fast alle abgeschafft werden. Außerdem wird durch die beabsichtigte Veränderung der Provisionslogik den Anbietern das Geschäft mit der privaten Riesterrente leichter gemacht als das mit der betrieblichen Altersversorgung. Wir werden unseren nicht provisionsgebundenen Exklusivvertrieb - die MetallRente Beratungseinheit - stärken, damit die großen Kostenvorteile der betrieblichen Altersversorgung da nicht untergebuttert werden.

Hat sich damit die Versicherungswirtschaft durchgesetzt oder wollen die Änderungen vor allem den Tarifvorbehalt unterminieren?
Das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis ist konstitutiv für die zweite Säule, deshalb müssen die Tarifparteien die Chance haben, ihre Gestaltungsaufgabe wahrzunehmen. Sie brauchen den Tarifvorbehalt, um die Versorgungswerke weiter ausgestalten zu können. Was heute tarifpolitisch nicht gelöst werden kann, fällt uns allen morgen in Form erhöhter Lohnnebenkosten für beide Seiten zur Rentenfinanzierung auf die Füße. Die dritte Säule kann nur eine schmale Addition zu den ersten beiden Säulen sein. Diese haben Sicherungs- und kollektive Regulierungsmechanismen, die in der dritten Säule nicht implantierbar sind. Statt politischer Konfusion brauchen wir eindeutige Manöver für einen Ausbau der zweiten Säule, wie er in ganz Europa verwirklicht ist.

Das Gespräch führte Margarete Hasel.


Das Versorgungswerk MetallRente

… ist eine 2001 gegründete, gemeinsame Einrichtung von Gesamtmetall und IG Metall, der sich auch die Tarifparteien der Branchen Holz und Kunststoff sowie Textil angeschlossen haben. Mit einem Marktpotenzial von rund 30000 Betrieben (inklusive der nicht tarifgebundenen Unternehmen) und über vier Millionen Arbeitnehmern gilt MetallRente als das Filetstück auf dem neuen Markt der Altersvorsorge. Bislang sind 100000 Beschäftigte aus 5500 Unternehmen dem Versorgungswerk beigetreten. Das entspricht einer Teilnahmequote von nahezu sechs Prozent. Die Entwicklung des Marktes bleibt indes hinter den Erwartungen zurück. Allerdings brauchten beispielsweise in den USA die vergleichbaren 401(k)-Sparpläne - dabei handelt es sich um steuerbegünstigte betriebliche Sparpläne; das Kürzel bezieht sich auf die zugrunde liegende Klausel im Steuergesetz - über drei Jahre, ehe sie eine Durchdringung von sechs Prozent im Markt hatten. Und in der Schweiz mit ihrer starken betrieblichen Säule hat der gesamte Prozess mehr als zwei Dekaden gedauert. Das Versorgungswerk bietet drei so genannte Durchführungswege: Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Rund 89 Prozent der Verträge laufen bei der Pensionskasse. 2003 wurde MetallRente von der britischen Fachzeitschrift Investment & Pensions Europe für seine neuen Konzepte im Risikomanagement als "bester industrieweiter Pensionsfonds in Europa" ausgezeichnet. In der Begründung werden die Sozialpartner ausdrücklich für diesen "gemeinsamen Schritt in die Zukunft" gewürdigt. www.metallrente.de


1 Infratest Sozialforschung:
Situation und Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst 2001-2003. Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS), Oktober 2003. Zu finden im Internet unter www.bmgs.bund.de, dann Publikationen/Forschungsberichte anklicken

2 Mit dem Alterseinkünftegesetz soll der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung der Rentenversicherungsbeiträge, das heißt Besteuerung der Renten, nicht der Beiträge, geregelt werden. Außerdem sind diverse Änderungen zur Riesterrente vorgesehen. Es soll zum 1.1.2005 in Kraft treten.

 

 

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