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Wie die AfD von Ängsten profitiert Böckler Impuls

Parteien: Wie die AfD von Ängsten profitiert

Ausgabe 13/2025

Bei der Bundestagswahl 2025 bekam die AfD doppelt so viele Stimmen wie bei der vorherigen Wahl. Das WSI hat diesen Anstieg in der Wählergunst untersucht und dazu langjährige mit neuen Anhängerinnen und Anhängern der Partei verglichen.

Migrations- und demokratiefeindliche Parteien sind weltweit auf dem Vormarsch. In Deutschland bekam die zumindest in Teilen rechtsextreme AfD bei der vergangenen Bundestagswahl 20,8 Prozent der Zweitstimmen – exakt doppelt so viel wie bei der vorletzten Wahl. Wie gelang der Partei ein derartiger Zuwachs – was sind treibende Faktoren und welche Rollen spielen die jüngsten politischen und wirtschaftlichen Krisen? Das hat WSI-Forscher Andreas Hövermann mithilfe verschiedener Wellen der WSI-Erwerbspersonenbefragung untersucht. Der Wissenschaftler spricht vom „Vordringen“ der AfD „in neue Schichten außerhalb ihrer rechtsradikalen Kernwählerschaft“.

In der letzten Erhebungswelle wurden im März 2025 nach der Bundestagswahl knapp 6  700 Erwerbspersonen befragt. Die Verdopplung der Stimmen für die AfD spiegelt sich auch in der Stichprobe wider: Sie enthält annähernd gleich viele Befragte, die schon 2021 AfD gewählt hatten, wie Befragte, die 2025 zur AfD gewechselt sind. 

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Neue AfD-Wählende haben zuvor Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum gewählt, am häufigsten FDP.
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Wählende aus verschiedenen politischen Richtungen

Für wen haben AfD-Neuwählende zuvor gestimmt? Hier ist kein klares Muster erkennbar. Rund 60 Prozent wählten 2021 CDU/CSU, SPD und FDP, wobei die FDP an der Spitze steht: Knapp 22 Prozent derer, die sich 2025 neu für die AfD entschieden haben, hatten zuvor FDP gewählt. Auch von zuvor Nichtwählenden konnte die AfD hinzugewinnen: 15 Prozent der AfD-Neuwählenden sind 2021 nicht zur Wahl gegangen. Niedrige einstellige Anteile entfallen auf Linke und Grüne. Frühere Wählerinnen und Wähler anderer Parteien stellen 16 Prozent der neuen AfD-Wählenden. Insgesamt sei festzuhalten, so Hövermann, dass es der AfD gelungen ist, in erheblichem Ausmaß „ehemalige Wählende der politischen Mitte“ anzusprechen. 

Außerdem hat der Wissenschaftler untersucht, inwieweit sich neue Wählerinnen und Wähler von der Stammwählerschaft der AfD unterscheiden. Langjährige AfD-Wählende sind deutlich überdurchschnittlich oft männlich, mittelalt, weisen einen niedrigen bis mittleren Schulabschluss auf und leben häufig in Ostdeutschland. Bei den neu Hinzugekommenen gibt es in mancher Hinsicht größere Unterschiede. Punkten konnte die AfD zuletzt beispielsweise stärker bei Frauen als zuvor. Unter denjenigen, die erst bei der jüngsten Bundestagswahl zur AfD gewechselt sind, lässt sich „erstmalig kein Männerüberschuss mehr aufzeigen“. Verglichen mit der Stammwählerschaft sind verstärkt auch Westdeutsche und Menschen in der Altersgruppe von 56 bis 65 Jahren hinzugekommen. 

Häufiger als die alte Riege vertreten diejenigen, die zur AfD gewechselt sind, in wirtschaftspolitischen Fragen eher linke Positionen. Sie sprechen sich beispielsweise öfter für eine Verringerung der Ungleichheit oder einen höheren Mindestlohn aus. 

Gegen Migration und Menschen im Bürgergeldbezug

Allerdings sind Verteilungsfragen nicht die, die AfD-Wählende am meisten bewegen. Die Migration bleibt das Thema Nummer eins, wie die vorliegende Studie zeigt. Einer anderen Befragung zufolge wollen 95 Prozent der AfD-Wählenden die Einwanderung stärker begrenzen. Selbst die extremen Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland unter dem zynischen Label „Remigration“ werden von rund 70 Prozent gutgeheißen. Wenig Mitgefühl und Unterstützungsbereitschaft äußern AfD-Wählende auch gegenüber Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind – wobei die Solidarität mit Geflüchteten aus der Ukraine auch bei Wählerinnen und Wählern anderer Parteien deutlich nachgelassen hat. „Explizit kein Mitgefühl“ äußerten laut WSI-Erwerbspersonenbefragung zuletzt 64 Prozent der AfD-Wählenden und 24 Prozent derer, die anderen Parteien als AfD und BSW ihre Stimme gaben.

Der Groll richtet sich aber nicht nur gegen Geflüchtete, die sich „hinten anstellen“ sollen – das sahen 85 Prozent der AfD-Wählenden im vergangenen Dezember so. Auch gegenüber Bürgergeldbeziehenden dominiert die Ablehnung: Zwei Drittel der AfD-Wählenden stimmen der Aussage zu, dass sich Menschen, die Sozialhilfe oder Bürgergeld beziehen, „auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben“ machen.

Besonders ausgeprägt sind die Ablehnung von Geflüchteten und die Vorstellung von Bürgergeldbeziehenden, die sich ein bequemes Leben machen, bei AfD-Wählenden, die das Gefühl haben, von der Gesellschaft „systematisch vernachlässigt“ zu werden – während andere „mehr bekommen als sie verdienen“. WSI-Forscher Hövermann spricht von „empfundener relativer Deprivation“ als wichtigem Verstärker von Ungerechtigkeitsgefühlen. Gerade Arbeiterinnen und Arbeiter, unter denen die AfD besonders hohe Zustimmungsquoten hat – was allerdings nicht heißt, dass diese die Mehrheit der AfD-Wählenden stellen –, verspüren häufig einen „Bruch in der moralischen Ökonomie“. Selbst hart und unter schwierigen Bedingungen zu arbeiten, löst bei einigen Zorn und Ungerechtigkeitsgefühle aus, die sich dann gegen politische Entscheidungsträger und -trägerinnen, aber vor allem gegen diejenigen richten, die vermeintlich bevorzugt werden und angeblich nichts leisten.

AfD-Wählende fürchten sich überdurchschnittlich oft vor den Folgen von Klimapolitik und Digitalisierung für ihre berufliche Zukunft.
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Die AfD und die Arbeiterschaft

Gut 36 Prozent der Menschen im WSI-Erwerbs-personen-Panel, die sich selbst als Arbeiterin oder Arbeiter einstufen, haben bei der jüngsten Bundestagswahl AfD gewählt. Bei den Angestellten waren es 18 und bei den Beamten nur 8 Prozent.

Facharbeitende haben einen unwesentlich stärkeren Hang zur AfD als Routinearbeitende. Unter Arbeiterinnen und Arbeitern, die in der Produktion tätig sind, ist der AfD-Anteil mit 37 Prozent sogar noch etwas höher als im Durchschnitt. Hier könnten Ängste vor der Abwicklung traditioneller Industrien eine Rolle spielen. 

Unabhängig von der Einstufung in Kategorien wie Arbeiter oder Angestellte gilt: Wer im Job geringe Entscheidungsspielräume hat, mehr mit den Händen als mit dem Kopf arbeitet oder zu den Un- und Angelernten gehört, wählt eher rechtsaußen. In dieser Gruppe äußern 30 Prozent eine AfD-Präferenz, während es unter Erwerbstätigen mit großer Handlungsautonomie, etwa freiberuflichen Akademikern und Akademikerinnen, lediglich 13 Prozent sind.

Mit 24 Prozent neigen Arbeitslose überdurchschnittlich zur AfD. Zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und anderen Befragten gibt es keine signifikanten Unterschiede.

Transformation macht Angst

Die politischen Krisen der jüngeren Vergangenheit dürften ebenfalls dazu beigetragen haben, dass die AfD in den Augen vieler Wahlberechtigter attraktiver geworden ist. So lässt sich mithilfe verschiedener Wellen der Erwerbspersonenbefragung zeigen, dass die persönliche Belastung während der Corona-Pandemie und die Unzufriedenheit mit den politischen Maßnahmen mit höheren Zustimmungswerten für die AfD zusammenhängen. Gleiches gilt für die Sorge um den eigenen Lebensstandard, als die Preise infolge des Krieges in der Ukraine vorübergehend stark anzogen. Auch hier wirken empfundene Benachteiligungsgefühle als Verstärker. Und noch etwas erhöht offenbar die Bereitschaft, für die AfD zu votieren: Transformationsängste. Wer etwa den Verlust des Arbeitsplatzes infolge von Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft fürchtet, wählt eher rechtsaußen, wie auch schon eine frühere WSI-Studie gezeigt hat.

WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch sagt: „Die AfD mobilisiert erfolgreich Ängste und soziale Verunsicherungen. Diese beruhen einerseits auf Erfahrungen von Wohlstandsverlusten, zum Beispiel aufgrund hoher Inflation. Verunsicherung resultiert aber auch aus Ängsten vor der Zukunft. Ein Teil der Beschäftigten empfindet Transformationsprozesse, wie den sozial-ökologischen Wandel und die Digitalisierung, vor allem als Bedrohung des eigenen Status. Die Antwort auf diese nachvollziehbare Verunsicherung sollte ein positiver demokratischer Zukunftsentwurf sein, der die soziale Absicherung gerade der Personen, die vom Wandel des Arbeitsmarktes besonders betroffen sind, in den Mittelpunkt stellt.“

Studienautor Hövermann ergänzt: „Die AfD schaffte es zuletzt, sich bei ihren Wählenden als einziger Heilsbringer zu positionieren“, indem sie sich für ihre Wählenden glaubhaft von etablierten politischen Kräften in Sprache und Inhalt abgrenzt. Trotz ihrer zunehmenden Radikalisierung stehe die Partei aus Sicht ihrer Wählerinnen und Wähler für einen echten politischen Wandel und nicht für eine Gefahr für die Demokratie und die Bürger und Bürgerinnen. Umso dringender sei der Bedarf nach hoffnungsstiftenden, positiven Zukunftsbildern unter Demokratinnen und Demokraten. Möglich sei es, dass etwa von den notwendigen Investitionen in die soziale Infrastruktur im besten Fall auch das Signal eines Aufbruchs für eine positive Zukunftsvision ausgeht, das dringend nötig sei, um der Niedergangsrhetorik der AfD Gründe für Zuversicht entgegenzusetzen. Es müsse darum gehen, den Menschen echte Alternativen statt Sündenböcke anzubieten. Durchaus auch, indem Emotionen angesprochen werden: „Empörung über reale Ungerechtigkeiten“ sei berechtigt. Allerdings müsse unbedingt eine klare Abgrenzung zur „diffamierenden, radikalen Emotionskultur“ der extremen Rechten erfolgen, um die Demokratie wieder zu stärken, sagt der Forscher.

Und die Zeit drängt. Andere Studien, die Ergebnisse nach Wahlkreisen ausgewertet haben, zeigen, dass die AfD vor allem dort neue Anhängerinnen und Anhänger gewinnen konnte, wo sie ohnehin schon stark vertreten war. „Wo man also Nachbarn, Kollegen und Kolleginnen oder Bekannten im Sportverein begegnet, die die AfD wählen, und wo vermutlich auch beispielsweise weniger Anstoß daran genommen wird, wenn die Straßen mit AfD-Wahlplakaten gesäumt sind.“ Also dort, wo „die Normalisierung der AfD und die rechte Hegemonie“ besonders weit fortgeschritten sind.

Infografik: Gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine äußern sich AfD-Wählende häufiger ablehnend als andere.
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Andreas Hövermann: Die Verdoppelung des AfD-Elektorats, WSI-Study Nr. 42, Juli 2025

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