zurück
Weniger Weiterbildung Böckler Impuls

Coronakrise: Weniger Weiterbildung

Ausgabe 02/2022

Die Pandemie hat zu massiven Ausfällen bei der Weiterbildung geführt. Dabei sind Beschäftigte und Arbeitslose dringend auf sie angewiesen.

Wenn die Wirtschaft fit für die Digitalisierung und klimafreundlich werden soll, müssen auch die Qualifikationen der Beschäftigten angepasst werden. Doch Weiterbildung ist in der Coronakrise unter die Räder gekommen. Das zeigt Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen in einem Aufsatz für die WSI-Mitteilungen. Nicht nur die klassische Weiterbildung, auch das informelle Lernen im Arbeitsprozess ist demnach in vielen Betrieben Lockdown und Kurzarbeit zum Opfer gefallen.

Bosch hat für seine Analyse die verfügbaren Statistiken zur Situation der Weiterbildung in Deutschland ausgewertet. Dazu gehört eine Befragung von über 17 000 Weiterbildungsträgern, die das Bundesinstitut für Berufsbildung gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung jährlich durchführt. Die Geschäftserwartungen der Teilnehmer waren im Sommer 2020 dramatisch abgestürzt – noch stärker als in der Finanzkrise ab 2008. Im ersten Lockdown von Mitte März bis Mai 2020 mussten die Befragten ein Fünftel aller Maßnahmen absagen und zwei Fünftel unterbrechen. Nur 3 Prozent konnten im geplanten Format stattfinden, 37 Prozent wurden umgestellt auf Online- oder Mischformen.

Durch die Ausfälle und geringere Teilnehmerzahlen infolge der Hygienemaßnahmen sei es zu erheblichen Umsatzeinbußen gekommen, heißt es in der Studie. Vier von zehn Anbietern nutzten Kurzarbeit. Befristete Verträge wurden in der Regel nicht verlängert, auch Entlassungen kamen vor.

Auch aus Sicht der Unternehmen, die Weiterbildung nachfragen, hat die Pandemie in diesem Bereich enormen Schaden angerichtet. Laut einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), an der im Herbst 2020 rund 1500 Betriebe teilgenommen haben, spielten die Kontaktbeschränkungen dabei eine zentrale Rolle: 96 Prozent der Befragten machten sie verantwortlich dafür, dass geplante Qualifikationsmaßnahmen abgesagt werden mussten. Unsicherheit hinsichtlich der Fortführung der Geschäftstätigkeit nannten 28 Prozent als Grund. 

Eigentlich wäre Kurzarbeit eine gute Gelegenheit, Beschäftigte weiterzubilden, zumal die Bundesagentur für Arbeit (BA) unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil der Kosten übernimmt, so Bosch. Der IAB-Befragung zufolge hat das aber nur ein Zehntel der von Kurzarbeit betroffenen Betriebe gemacht. Als Begründung geben 81 Prozent von ihnen an, dass die Dauer der Kurzarbeit nicht absehbar war. Auf die unsichere wirtschaftliche Zukunft berufen sich 50 Prozent. Dass das Thema Weiterbildung in der Krise nachrangig war, sagen 39 Prozent.

Trotz Kurzarbeit habe die Arbeitslosigkeit in der Coronakrise zugenommen, gleichzeitig herrsche in vielen Bereichen Fachkräftemangel, schreibt der Sozialwissenschaftler. Weiterbildung von Arbeitslosen sei also dringend nötig. Die Geschäftsstatistik der BA verzeichnet dagegen für 2020 einen Rückgang der Eintritte in geförderte Weiterbildung gegenüber dem Vorjahr um 17,5 Prozent. Besonders groß war das Minus mit fast 70 Prozent bei Alleinerziehenden und Arbeitslosen ohne beruflichen Abschluss.     

Gespräche mit der BA lassen Bosch zufolge erkennen, dass nicht deren Politik für den Rückgang verantwortlich war, sondern in erster Linie der Lockdown im Frühjahr. Dass Alleinerziehende überdurchschnittlich betroffen waren, lasse sich mit den Problemen der Kinderbetreuung während der Kita- und Schulschließungen erklären. Bei den Arbeitslosen ohne Abschluss dürfte die große Bedeutung persönlicher Beratung eine Rolle gespielt haben. Zudem sei bei typischen Weiterbildungsangeboten für diese Gruppe wie Schweiß- oder Führerscheinkursen physische Präsenz unerlässlich. 

Als Lichtblick betrachtet Bosch, dass Unternehmen laut einer Befragung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ihre geplanten Innovationsausgaben 2020 nur um zwei Prozent gesenkt haben. Zum Vergleich: In der Finanzkrise ab 2008 waren es elf Prozent. In der Automobilindustrie sind die vorgesehenen Ausgaben fast stabil geblieben – was angesichts des Umbaus zur Elektromobilität nicht verwunderlich sei, so der Forscher. Eine Fallstudie bei Volkswagen Braunschweig habe gezeigt, dass dort die Weiterbildung für die Batteriefertigung 2020 nicht unterbrochen wurde. Stattdessen seien ein Hygienekonzept mit kleineren Gruppen und täglichen Selbsttests sowie neue digitale Formate wie Erklärvideos zum Einsatz gekommen. 

Gerhard Bosch: Weiterbildung in der Corona-Krise, WSI-Mitteilungen 6/2021 

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen