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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Von Schweden lernen

Ausgabe 03/2018

Großunternehmen federn Massenentlassungen gelegentlich durch Transfergesellschaften ab. In Schweden existieren vergleichbare – sehr erfolgreiche – Einrichtungen flächendeckend.

Einen Sozialplan zu verhandeln, ist keine Kleinigkeit. Betriebsräte, die vor dieser Herausforderung stehen, müssen vieles beachten und großen Druck aushalten. Wenn es nicht nur um Abfindungen für die betroffenen Kollegen, sondern außerdem um die Einrichtung einer Transfergesellschaft zur Fortbildung und Jobvermittlung geht, wird die Sache noch einmal komplizierter: Dem Arbeitgeber müssen dann die nötigen finanziellen Mittel abgerungen werden – möglichst nicht auf Kosten der übrigen Teile des Sozialplans. Es müssen ein geeigneter Träger gefunden und eine Reihe von Details geklärt werden. Weil der Abschluss eines Transfersozialplans nicht alle Tage vorkommt, ist das Thema für die meisten betroffenen Betriebsräte Neuland. 

Leichter haben es die Kollegen in Schweden, wo sogenannte Job Security Councils dauerhafte und weit verbreitete Einrichtungen sind. Darauf macht eine Untersuchung des Bochumer Helex-Instituts im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung aufmerksam. 

Die Job Security Councils (JSC), zu Deutsch etwa: Räte für Arbeitsplatzsicherheit, sind als Stiftungen organisiert und werden, festgelegt durch Vereinbarungen in Branchentarifverträgen, von den Unternehmen finanziert. Als Kontrollorgan fungiert eine paritätisch besetzte Kommission aus Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Derzeit existieren 15 solcher Stiftungen, zu deren Beratungs- und Qualifizierungsleistungen 90 Prozent der Beschäftigten Zugang haben, wenn ihnen der Jobverlust droht. Die JSC-Mitarbeiter sind Spezialisten für die jeweilige Branche und können den Entlassenen oft passgenaue individuelle Angebote machen. 

Viele wechseln sogar in bessere Jobs

Entstanden sind die JSCs in den 1970er-Jahren, zu Zeiten der Ölkrisen. Damals, erklären die Helex-Forscher Kathrin Filipiak und Gernot Mühge, erwies sich die staatliche Arbeitsverwaltung als überfordert, wenn es darum ging, bestimmte Gruppen wie hochqualifizierte Angestellte zu vermitteln. So schufen die Sozialpartner ihre eigene Arbeitsvermittlung. Ursprünglich war nicht geplant, daraus ein dauerhaftes und flächendeckendes System zu machen. Doch die JSCs waren zu erfolgreich, um sie wieder abzuschaffen. In Schweden finden 85 Prozent derer, die ihren Job verlieren, innerhalb eines Jahres wieder eine neue Stelle. Das sei deutlich mehr als in anderen Industrieländern und werde „zu großen Teilen dem System der Job Security Councils zugeschrieben“, so Filipiak und Mühge. Nur wenige müssten nach der Vermittlung in einen Job Einkommenseinbußen hinnehmen, einer „nennenswerten Gruppe“ von Beschäftigten gelinge es sogar, in bessere Arbeitsverhältnisse zu wechseln. 

Angesichts der Erfolge sei zu überlegen, ob sich Elemente aus dem schwedischen System auf Deutschland übertragen lassen, schreiben die Forscher. Der Vorteil des Stiftungsmodells ist es, dass die überwiegend positiven Effekte von Transfergesellschaften auch Beschäftigten von Klein- und Mittelbetrieben zugutekommen können. Eine tarifliche, überbetriebliche Regelung würde dazu beitragen, dass Beschäftigtentransfer und Abfindungen nicht mehr aus demselben Topf bezahlt werden müssten, was Betriebsräte in ohnehin nervenaufreibenden Sozialplanverhandlungen entlasten würde. Vor allem müsste man aber nicht jedes Mal bei null anfangen, sondern hätte „einen verlässlichen Rahmen für Transfergesellschaften, der zur sozialen Sicherheit der betroffenen Beschäftigten in der Phase des Jobverlusts beiträgt“, so Filipiak und Mühge.


  • Massenentlassungen durch Transfergesellschaften abzufedern, verlangt Arbeitnehmervertretern einiges ab. Zur Grafik

Kathrin Filipiak, Gernot Mühge: Job Security Councils – Impulse für die Mitbestimmung, Analyse im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, Februar 2018

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