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Vielfältiger Betriebsrat durch starke Gewerkschaft Böckler Impuls

Mitbestimmung: Vielfältiger Betriebsrat durch starke Gewerkschaft

Ausgabe 19/2023

Menschen mit Migrationshintergrund sind seltener im Betriebsrat als andere Beschäftigte. Bessere Chancen haben sie dort, wo die Gewerkschaften stark sind.


Genaue Zahlen gab es lange nur von der IG Metall: 2016 ergab eine Studie, dass rund ein Viertel der Mitglieder in den Metall- und Elektrobetrieben einen Migrationshintergrund hatte. Bei den Betriebsratsmitgliedern mit Gewerkschaftsausweis betrug der Anteil sogar fast ein Drittel. Aber sind Menschen, die selbst oder deren Eltern nicht in Deutschland geboren wurden, überall so stark in den Gremien der Mitbestimmung vertreten? Das haben Martin Behrens, Wolfram Bremer und Merle Pohlmeyer vom WSI anhand von Daten der WSI-Betriebsrätebefragung 2017 untersucht. Ausgewertet wurden Angaben von knapp 2400 Betriebsräten; die Ergebnisse sind repräsentativ für mitbestimmte Betriebe mit wenigstens 20 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Es zeigt sich: Während 18 Prozent der Beschäftigten in diesen Betrieben einen Migrationshintergrund haben, gilt dies nur für knapp 11 Prozent der Betriebsratsmitglieder. 

Anders als bei politischen Wahlen spielt die Staatsbürgerschaft bei Betriebsratswahlen schon lange keine Rolle mehr. Seit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 muss niemand mehr Deutsche oder Deutscher sein, um kandidieren zu dürfen. Und das Spektrum ist breit: In der WSI-Stichprobe fanden sich Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten aus 95 unterschiedlichen Herkunftsländern. Mit einem guten Viertel bilden Türkischstämmige die größte Gruppe. Deutlich seltener als im Westen sind Menschen mit Migrationshintergrund in Ostdeutschland im Betriebsrat. Nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zum Anteil der Beschäftigten mit ausländischen Wurzeln. 

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Was eine angemessene Repräsentation Beschäftigter mit Migrationshintergrund begünstigt, haben Behrens, Bremer und Pohlmeyer mit statistischen Methoden zu ergründen versucht. Dabei erwiesen sich Faktoren wie die Betriebsgröße, das Geschlechterverhältnis in der Belegschaft, die Branche oder die Verbreitung atypischer Beschäftigung als praktisch bedeutungslos. Wenig überraschend ist, dass Migrantinnen oder Migranten eher im Betriebsrat sitzen, wenn ihr Anteil an der Belegschaft hoch ist. Statistisch auffällig sind daneben zwei Dinge: Erstens verbessern sich die Chancen von Migrantinnen und Migranten dort, wo viele Angelernte arbeiten – vermutlich weil in solchen Bereichen viele Beschäftigte einen Migrationshintergrund haben und Kolleginnen oder Kollegen wählen, die sie aus ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld kennen. Zweitens: Ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad begünstigt einen vielfältigen Betriebsrat. 

Ungeklärt auf Basis der vorliegenden Daten bleibt die Frage: Welcher Mechanismus verbirgt sich dahinter? Es könnte sein, dass in Betrieben mit starker Gewerkschaft ein Klima herrscht, in dem die Herkunft eine geringere Rolle spielt. Denkbar ist aber auch, dass die Gewerkschaften – dort wo konkurrierende Listen statt Einzelpersonen gegeneinander antreten – bei der Zusammensetzung ihrer Wahllisten stärker auf Vielfalt achten. In jedem Fall, so die Forschenden, zeige sich hier „die große Bedeutung von Gewerkschaften als Impulsgeber der Betriebspolitik“.

Martin Behrens, Wolfram Bremer, Merle Pohlmeyer: Repräsentation von Migrant*innen in Betriebsräten, WSI-Mitteilungen 6/2023, Dezember 2023

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