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HBS Böckler Impuls

Wohnungsmarkt: Unbezahlbare Mieten

Ausgabe 07/2018

Fast zwei Millionen erschwingliche Wohnungen fehlen. Die Lage dürfte sich noch verschlechtern. Der soziale Wohnungsbau muss stärker gefördert werden.

In deutschen Großstädten fehlen 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen. Vor allem Geringverdiener finden häufig keine Mietwohnung, die sie sich leisten können. Besonders angespannt ist die Lage für armutsgefährdete Haushalte in München, in der Region Rhein-Main sowie Köln-Bonn. Aber auch in Städten mit vielen Niedrigverdienern wie Berlin, Leipzig oder Dresden ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Zu diesem Ergebnis kommen Henrik Lebuhn, Andrej Holm, Stephan Junker und Kevin Neitzel in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Die Stadtsoziologen der Humboldt-Universität Berlin und der Goethe-Universität Frankfurt haben untersucht, welche Wohnungen sich die Menschen leisten können und wie dies mit dem Angebot auf dem jeweiligen Mietmarkt zusammenpasst. Daraus ergeben sich detaillierte Zahlen zur „Versorgungslücke“ in allen 77 deutschen Großstädten. Als bezahlbar bewerten die Wissenschaftler eine Bruttowarmmiete – also inklusive aller Neben- und Heizkosten –, die weniger als 30 Prozent des Haushaltseinkommens beträgt. Alles, was darüber hinausgeht, sehen sie als unangemessen hoch an. Grundlage sind die neuesten verfügbaren Daten aus dem Mikrozensus 2014.

Die meisten bezahlbaren Wohnungen fehlen in Berlin mit rund 310 000. Es folgen Hamburg mit einer Lücke von 150 000, Köln mit 86 000 und München mit 79 000 Wohnungen. Doch selbst in Großstädten mit relativ kleinen „Versorgungslücken“ wie Moers, Wolfsburg, Koblenz oder Ulm überschreitet der Bedarf an günstigen Wohnungen das Angebot jeweils um mehrere Tausend.

Am stärksten vom Wohnungsmangel betroffen sind Alleinstehende unterhalb der Armutsgrenze. Sie haben weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung. Das entspricht inklusive aller Sozialtransfers rund 890 Euro monatlich. Bezahlbar sind damit nur kleine, sehr günstige Apartments mit Mieten zwischen vier und fünf Euro pro Quadratmeter. Doch von diesen Wohnungen gibt es in den Großstädten viel zu wenige – der Studie zufolge fehlen dort insgesamt 1,4 Millionen Wohnungen für armutsgefährdete Einpersonenhaushalte. Auch etwas besser verdienende Singles haben es nicht leicht, eine Wohnung zu finden – weil die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt. Inzwischen lebt in knapp der Hälfte aller Haushalte in Großstädten nur eine Person. Viele von ihnen müssen mehr zahlen, als sie sich eigentlich leisten können. „Der Wohnungsbestand passt nicht mehr zu der Struktur der Bewohnerschaft in den Großstädten“, schreiben die Wissenschaftler. 

Mehr Sozialwohnungen und Mietpreisbindung

Ebenfalls schwierig ist die Lage für Familien mit fünf oder mehr Personen. Um einigermaßen gut leben zu können, benötigen sie Wohnungen mit mindestens 90 Quadratmetern. Doch selbst Haushalte mit mittlerem Einkommen können sich diese oft nicht leisten – für sie ist der Studie zufolge gerade einmal knapp ein Fünftel des Bestands an Mietwohnungen in dieser Größe erschwinglich. Entsprechend groß ist die Konkurrenz um die wenigen bezahlbaren Wohnungen. 

Da sich die Zahl von 1,9 Millionen fehlenden Wohnungen aus dem Mikrozensus 2014 ergibt und die Mieten seitdem weiter deutlich gestiegen sind, gehen die Forscher davon aus, dass die „Versorgungslücke“ mittlerweile noch größer ist. Und sie dürfte trotz stärkerer Neubautätigkeit weiter wachsen. Denn „die Angebotsmieten bei Neuvermietung sind in fast allen Großstädten höher als die Bestandsmieten“, warnen die Wissenschaftler.

Um den Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu verringern, sei es wichtig, das Angebot an günstigen Kleinwohnungen stark auszubauen. „Das ist nur durch eine deutliche Stärkung des sozialen Wohnungsbaus möglich“, betonen Lebuhn, Holm, Junker und Neitzel. „Dazu müssen einerseits weitaus mehr Sozialwohnungen als in den vergangenen Jahren neu entstehen. Andererseits muss auch die Sozial- und Mietpreisbindung im Wohnungsbestand wieder ausgeweitet werden.“

  • Als bezahlbar bewerten die Wissenschaftler eine Bruttowarmmiete, die weniger als 30 Prozent des Haushaltseinkommens beträgt. Zur Grafik

Henrik Lebuhn, Andrej Holm, Stephan Junker und Kevin Neitzel: Wie viele und welche Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten? (pdf) Die soziale Versorgungslücke nach Einkommen und Wohnungsgröße, Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 63, April 2018 

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