Investitionen: Staatliche Beteiligung funktioniert besser
Der Ausbau der Stromnetze erfordert massive Investitionen. Wenn private Investoren das Kapital dafür bereitstellen, kann das für Privathaushalte und Unternehmen teuer werden.
Die Pläne der Bundesregierung, den massiven Ausbau der deutschen Stromnetze hauptsächlich über öffentlich-private Partnerschaften mit privatem Eigenkapital zu finanzieren, sind ineffizient. Werden die im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben umgesetzt, droht ein gesamtwirtschaftlicher Verlust von insgesamt 220 Milliarden Euro bis 2037. Deutlich effizienter sind öffentliche Beteiligungsgesellschaften, die Finanzmittel vom Bund oder den Ländern erhalten und Unternehmen günstiges Eigenkapital bereitstellen. Das ist das Ergebnis einer Analyse von Patrick Kaczmarczyk und Tom Krebs von der Universität Mannheim. Die Forscher haben die Finanzierung des notwendigen Ausbaus der Infrastruktur und der Daseinsvorsorge untersucht, mit besonderem Fokus auf den Ausbau der Stromnetze.
Wenn die Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft weiter vorangetrieben werden soll, werden nach Schätzung von Krebs und Kaczmarczyk bis 2037 Investitionen in Höhe von 440 Milliarden Euro für den Ausbau der Stromnetze erforderlich sein. Davon entfallen 260 Milliarden Euro auf die überregionalen Übertragungsnetze und 180 Milliarden Euro auf die Verteilnetze.
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Zwar wird der Netzausbau von der Privatwirtschaft übernommen, er muss aber durch die öffentliche Hand massiv unterstützt werden, da die Netzbetreiber die Aufgabe sonst nicht bewältigen könnten. Dies kann in Form von öffentlichem Beteiligungskapital oder staatlichen Garantien und Zuschüssen für privates Eigenkapital erfolgen. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist ein Investitionsfonds vorgesehen, der durch das Zusammenspiel von staatlichen Garantien und privatem Eigenkapital zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen beitragen soll.
Private Investoren fordern hohe Rendite
Wenn private Beteiligungsgesellschaften das notwendige Eigenkapital für den Stromnetzausbau bereitstellen, dann erwarten sie dafür erfahrungsgemäß eine entsprechende Rendite. Hohe Renditeforderungen der privaten Kapitalgeber würden zu höheren Kosten führen. Entweder müsste die Bundesnetzagentur die Netzentgelte deshalb stärker als notwendig erhöhen oder der Staat müsste die Investitionsprojekte bezuschussen. Laut der Studie würde der dadurch verursachte Anstieg der Netzentgelte die Kosten bis 2037 um zusätzlich rund 110 Milliarden Euro erhöhen.
Höhere Netzentgelte und somit höhere Energiekosten würden dem Wachstum schaden und zu gesamtwirtschaftlichen Verlusten führen. Durch diese indirekten Effekte würden sich die Nachteile um weitere 110 Milliarden Euro auf insgesamt 220 Milliarden Euro bis 2037 erhöhen. Öffentliche Zuschüsse können den Anstieg der Netzentgelte zwar dämpfen, ändern aber nichts daran, dass die Finanzierung des Netzausbaus durch privates Eigenkapital ineffizient ist. In diesem Fall würden die Verbraucherinnen und Verbraucher die hohen Renditen der Finanzinvestoren zwar nicht direkt bezahlen, aber aufgrund von Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen indirekt tragen. „Dabei handelt es sich um eine reine Umverteilung von der inländischen Realwirtschaft hin zu internationalen Finanzinvestoren wie Blackrock und Union Investment“, schreiben die Ökonomen.
Die öffentliche Hand bietet bessere Konditionen
Eine Alternative sind aus Sicht der Wissenschaftler öffentliche Beteiligungsgesellschaften, die staatliche Finanzmittel erhalten und sich in staatlichem Eigentum befinden. „Sie sind ein Finanzierungskonzept, das mit einer minimalen institutionellen Veränderung eine maximale Reduktion der Finanzierungskosten erreicht“, so die Studienautoren. In Hamburg gibt es dafür bereits ein organisatorisches Beispiel.
Die Idee dahinter: Bund und Länder nehmen zu niedrigen Zinsen Kredite auf und stärken damit die Eigenkapitalbasis der Netzbetreiber. Das zusätzliche Fremdkapital wird weiterhin von Sparkassen, Banken und Anleihenmärkten bereitgestellt. In beiden Bereichen können staatliche Garantien genutzt werden, um gute Konditionen zu gewährleisten. In einem ersten Schritt können Unternehmensbeteiligungen der öffentlichen Hand auch als Programm der KfW umgesetzt werden. Mittelfristig ist jedoch eine separate Gesellschaft des Bundes beziehungsweise des jeweiligen Landes sinnvoll. „Durch die Bereitstellung von öffentlichem Eigenkapital zu günstigen Konditionen können die Finanzierungskosten gesenkt und die Investitionsbedarfe langfristig gesichert werden“, erklären Kaczmarczyk und Krebs.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Eigenkapitalfinanzierung von Infrastrukturinvestitionen über die KfW oder öffentliche Beteiligungsgesellschaften von der Schuldenbremse ausgenommen ist, da sie das staatliche Eigentum direkt vergrößert. Somit werden die finanziellen Spielräume in anderen Bereichen nicht eingeschränkt und die 500 Milliarden Euro aus dem Infrastruktur-Sondervermögen bleiben unangetastet.
Öffentliche Beteiligungsgesellschaften können ihr Potenzial jedoch nur ausschöpfen, wenn sie gemeinwohlorientierte Ziele verfolgen. Das bedeutet, dass öffentliche Unternehmen im Infrastrukturbereich nicht wie privatwirtschaftliche Akteure agieren, die nur betriebswirtschaftliche Größen betrachten, sondern ihre Entscheidungen auf Basis gesamtwirtschaftlicher Erwägungen treffen. Laut den Wissenschaftlern ist das Modell der Finanzierung des Stromnetzausbaus über öffentliche Beteiligungsgesellschaften „auf jeden Fall sinnvoller“ als das von Union und SPD angedachte Zusammenspiel von staatlichen Garantien und privatem Kapital. Dies gelte auch für andere Bereiche der kritischen Infrastruktur. Allenfalls in Bereichen, in denen Wettbewerb herrscht und Preise nicht von Regulierungsbehörden festgelegt werden, könnten die Pläne von Union und SPD eine zweckmäßige Lösung sein. Ein Beispiel hierfür sei der Bau von Windkraftanlagen.
„Die Studie zeigt, dass es erhebliche Spielräume gibt, um mit den Milliarden für den dringend notwendigen Ausbau unserer Infrastruktur so viel wie möglich zu erreichen“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Abteilung Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Es sei wichtig, eine unvoreingenommene Diskussion darüber zu führen, welche Rolle der Staat beim Ausbau von Infrastrukturen spielen kann und soll.
Patrick Kaczmarczyk, Tom Krebs: Öffentliche Beteiligungsgesellschaften zur effizienten Finanzierung der Infrastruktur und Daseinsvorsorge, Juli 2025