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HBS Böckler Impuls

Ausbildung: Ohne Zeugnis angeschmiert: Einstiegspraktika verfehlen Problemgruppe

Ausgabe 10/2006

Jugendliche mit mangelhafter Schulbildung haben schlechte Chancen, eine Lehrstelle zu finden. Selbst in einem speziellen Förderprogramm zur Einstiegsqualifizierung, das eigentlich gerade für sie gedacht ist, kommen sie nicht zum Zug. Das zeigt eine Untersuchung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.


Ein Jahr Praxis mit der neuen betrieblichen Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ) haben die Wissenschaftlerinnen Gertrud Kühnlein und Birgit Klein von der Sozialforschungsstelle Dortmund ausgewertet. In der Region westfälisches Ruhrgebiet analysierten sie 294 EQJ-Maßnahmen im Zeitraum von Oktober 2004 bis Juni 2005.

Die Hälfte der Praktika mündet in ein reguläres Ausbildungsverhältnis. "Das ist besser, als viele Skeptiker vorausgesagt haben", heißt es in der Studie.

Aber: Die eigentliche Problemgruppe erreicht das Programm nicht. Die Mehrzahl der Praktikantinnen und Praktikanten verfügt über einen mittleren bis gehobenen Schulabschluss. "Jugendliche ohne Schulabschluss haben bei EQJ-Maßnahmen kaum eine Chance", so die Forscherinnen. Die "sozial-statistischen Merkmale" der Teilnehmer ähnelten dem Profil regulärer Azubis stärker als denen der "benachteiligten" Jugendlichen oder jugendlichen Arbeitslosen.

Diese "Bestenauslese" geht nicht nur auf das Konto der Betriebe. Entscheidend sei auch die Vorauswahl durch Arbeitsagenturen sowie IHK und Handwerkskammern im Rahmen so genannter Kompetenzchecks.

Ob die Arbeitgeber das Instrument in erster Linie nutzen, um Geld zu sparen, oder ob sie im Anschluss an die Testphase wie erhofft zusätzliche Lehrstellen für erfolgreiche Praktikanten geschaffen haben - das konnte in der Studie nicht festgestellt werden.

Sicher ist nur, so die Forscherinnen, dass EQJ-Maßnahmen ein Einstieg in eine verlängerte Ausbildung sind. Denn obwohl das EQJ-Regelwerk diese Möglichkeit eigentlich vorsieht, wurden die Praktika auf die anschließende Lehrzeit im Regelfall nicht angerechnet. Die beiden Wissenschaftlerinnen stießen auf eine Reihe weiterer Probleme, die sie zum Teil als "Konstruktionsmängel" einordnen:

  • Die Zielbeschreibung des Programms ist unklar. Formulierungen wie "aus individuellen Gründen eingeschränkte Vermittlungsperspektiven" sind interpretationsbedürftig. Wenn die Berufsstartprobleme der Praktikanten ausdrücklich "individuell" begründet sein sollen, dann sei es unverständlich, warum nicht ergänzend sozialpädagogische Unterstützung angeboten wird. Zumal viele Experten auf eine Überforderung der Betriebe durch sozialpädagogische Aufgaben hinwiesen.
  • Die schulpflichtigen Praktikanten in das laufende Berufsschulprogramm zu integrieren ist schwierig. Die geringe Zahl der Praktikanten, unterschiedliche Dauer der Praktika, verspäteter Einstieg ins Ausbildungsjahr, kein verbindlicher Starttermin - das alles steht einer erfolgreichen Theorieausbildung im Wege.
  • Der rechtliche Status der EQJ-Praktikanten ist unbefriedigend: Ohne Ausbildungsvertrag haben sie keine Arbeitnehmerrechte.

Dass Betriebe das Programm der Bundesregierung gern in Anspruch nehmen, könnte nach Ansicht der Autorinnen auch daran liegen, dass sie die Schulzeugnisse der Bewerber nicht mehr als aussagekräftig einschätzen. Dies müsse aber zu anderen Konsequenzen als Test-Praktika führen: "Eine koordinierte Unterstützung des Berufseinstiegs, eine systematische Berufswege-Begleitung, hätte bereits an den Schulen anzusetzen".

  • Die betriebliche Einstiegsqualifizierung (EQJ) Jugendlicher soll Schulabgängern mit Problemen bei der Lehrstellensuche helfen. Zur Grafik

Gertrud Kühnlein, Birgit Klein: Einstiegsqualifizierung für Jugendliche (EQJ), Arbeitspapier Nr. 124 der Hans-Böckler-Stiftung, erscheint demnächst

Projekt Erprobung neuer arbeitsmarktpolitischer Instrumente zur Integration von Jugendlichen in Ausbildung und Arbeit. Umsetzung von "Hartz IV" - Wo bleiben die Jugendlichen?, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung
zum Projekt   
Abschlussbericht des Projekts (pdf)

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