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HBS Böckler Impuls

Gesellschaft: Ohne Geld oft nicht dabei

Ausgabe 14/2005

Wer über wenig Geld verfügt, nimmt weniger am politischen und gesellschaftlichen Leben teil, engagiert und verwirklicht sich seltener. Armut - und die Angst vor Armut - hat nicht nur materielle Aspekte.

Den Betriebsrat wählen oder den Bundestag, eine Bürgerinitiative gründen oder zu den Veranstaltungen des Kulturclubs gehen -  solche Aktivitäten zeugen von gesellschaftlicher Partizipation und haben auf den ersten Blick nichts mit der Höhe des Einkommens zu tun. Tatsächlich aber halten sich Geringverdiener stärker zurück, wenn es darum geht, Handlungsspielräume zu nutzen, Verantwortung zu übernehmen und mitzugestalten. Diesen Zusammenhang zeigt der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung auf.

In den politischen Parteien zum Beispiel haben die Besserverdiener das Sagen. Je größer das Einkommen, desto eher besitzt man ein Parteibuch. Im obersten Fünftel sind es doppelt so viele wie im untersten. Mitglied einer Gewerkschaft sind 15 Prozent aller Deutschen - aber: Wer wenig Geld hat, spart den Gewerkschaftsbeitrag. Von ihnen sind nur 7 Prozent gewerkschaftlich organisiert. Ähnlich verhält es sich bei Vereinen und Umweltschutzorganisationen.

Ein gutes Drittel aller Menschen ist zudem regelmäßig "bürgerschaftlich" engagiert - von denjenigen unterhalb der Armutsrisikogrenze gilt das nur für ein knappes Viertel. (Diese EU-weit vereinbarte Armutsrisikogrenze entsprach in Deutschland 2003 etwa 938 Euro monatlich.) Auch in Sport-, Hobby- und Freizeitclubs sind tendenziell weniger Geringverdiener aktiv.

Alle Untersuchungen, so der Armutsbericht, wiesen darauf hin, dass die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben häufig mit einem gehobenen sozialen Status verknüpft ist. Beamte, höhere Angestellte und Selbstständige engagieren sich häufiger als Arbeiter, einfache Angestellte, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.

Dass hierzulande eher ein Manager eine Fußballmannschaft trainiert als ein Arbeitsloser, dass eine 400-Euro-Kraft seltener auf die Idee kommt, einen privaten Kindergarten zu organisieren, wundert Dr. Dietrich Engel nicht. Der Leiter des Kölner Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, auf dessen Ergebnisse sich der Armutsbericht beruft, hat verschiedene Faktoren ausgemacht, die gesellschaftliche Teilhabe erst ermöglichen: Vermögen, Bildungschancen, Netzwerke, auch ein gewisser Habitus, der den oberen Schichten eigen ist.

Wer arbeitslos ist und/oder sich von Armut bedroht fühlt, hätte zwar womöglich Zeit und Grund genug, sich zu engagieren. "Aber es fehlt ihm an Motivation und Energie. Es ist sehr demotivierend, arbeitslos zu sein. Und das bezieht sich dann auch auf die eigenen Teilhabe- und Verwirklichungschancen." Engel erwartet - wie die Autoren des Armutsberichts - von dem Politikansatz "Fördern und Fordern" auch mehr Bildungs- und Aktivierungsmöglichkeiten, mehr "Anleitung zur Selbstorganisation und animierende Veranstaltungen, die sich gezielt an Arbeitslose richten". 

  • Wer über wenig Geld verfügt, nimmt weniger am politischen und gesellschaftlichen Leben teil, engagiert und verwirklicht sich seltener. Armut - und die Angst vor Armut - hat nicht nur materielle Aspekte. Zur Grafik

2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, 2005

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