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Mehr Investitionen durch Mitbestimmung Böckler Impuls

Aufsichtsräte: Mehr Investitionen durch Mitbestimmung

Ausgabe 02/2020

Wenn Unternehmen paritätisch mitbestimmt sind, investieren sie stärker. Mehr Mitbestimmung könnte dazu beitragen, die Investitionsflaute in der Privatwirtschaft zu beenden.

Europas Unternehmenssektor ist in den vergangenen Jahren zum Netto-Gläubiger avanciert. Die Firmen sparen also mehr, als sie investieren. Nils Redeker vom Jacques Delors Centre der Hertie School hält das für problematisch: Fehlende Investitionen hätten zur Folge, dass Produktivität und Löhne stagnieren und das Wirtschaftswachstum geringer ausfällt. Der Politikwissenschaftler zeigt in einer Studie, dass mehr Mitbestimmung dabei helfen könnte, diese Fehlentwicklung zu korrigieren.

 

Dass so viele Manager bei Investitionen knausern, hängt laut dem Forscher unter anderem mit der Deregulierung der Finanzmärkte zusammen. Die habe es für Unternehmen attraktiver gemacht, Gewinne anzulegen, statt sie zu investieren. Die Beschäftigten hätten dagegen andere Interessen: Aus ihrer Sicht sollten Profite für höhere Löhne oder Investitionen verwendet werden, die langfristig Jobs sichern. Daher sei davon auszugehen, dass es in diesem Kontext eine Rolle spielt, inwieweit Arbeitnehmer bei Unternehmensentscheidungen mitreden können.

 

Tatsächlich sei der Einfluss der Arbeitnehmerseite statistisch nachweisbar, so Redeker. Seine Berechnungen beziehen sich zum einen auf die nationale Entwicklung in 25 Industriestaaten. Auf dieser Ebene fällt die Summe der Unternehmensersparnisse umso höher aus, je geringer der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist. Zusätzlich hat der Wissenschaftler Bilanzdaten börsennotierter Konzerne in Deutschland analysiert. Firmen mit knapp über 2000 Beschäftigten, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, sparen den Ergebnissen zufolge signifikant weniger als diejenigen mit etwas weniger als 2000 Beschäftigten. Der Grund: Sie investieren deutlich mehr. Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten scheinen also ihren Einfluss dazu zu nutzen, Investitionen zu forcieren, stellt Redeker fest.

 

Der neuen EU-Kommission, auf deren Agenda die Förderung privater Investitionen weit oben steht, empfiehlt der Autor ein Umdenken. Bislang beschränke sich die Strategie der EU darauf, Firmen öffentliche Fördermittel anzubieten und ansonsten auf Strukturreformen zu pochen. Dabei biete das Unternehmensrecht zahlreiche ungenutzte Möglichkeiten, die Stimme der Beschäftigten zu stärken und so für mehr Investitionen zu sorgen. Beispiel Eurobetriebsräte: Es gebe zurzeit kaum Sanktionen bei Verstößen gegen die Richtlinie, zudem seien die gesetzlich verankerten Informations- und Anhörungsrechte unzureichend. Hier brauche es einen Ausbau dieser Rechte und wirksame Sanktionen. Die Societas Europaea (SE) wiederum ermögliche Unternehmen, nationale Mitbestimmungsgesetze zu umgehen. Um das zu verhindern, biete es sich an, Mindeststandards für Beteiligungsrechte festzuschreiben.

 

Die EU gebe nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen vor, sie nehme in Form von Empfehlungen auch Einfluss auf die nationale Wirtschaftspolitik, so Redeker weiter. In der Vergangenheit hätten diese Empfehlungen in der Regel auf mehr Wettbewerbsfähigkeit durch weniger Kündigungsschutz, mehr Flexibilität und dezentrale Tarifsysteme abgezielt. Hier sei ein neuer Ansatz gefragt, der die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer nicht schwächt, sondern stärkt.

Nils Redeker: Unlocking Europe’s Piggy Bank (pdf), Jacques Delors Centre Policy Paper,  Hertie School, Dezember 2020

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