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HBS Böckler Impuls

Demografie: Im Osten nicht neu

Ausgabe 16/2009

Etwa die Hälfte der Menschen, die von West- nach Ostdeutschland umziehen, sind gebürtige Ostdeutsche. Ihre Rückwanderung stabilisiert Bevölkerungsentwicklung und Arbeitsmarkt in den neuen Ländern.

Aus den Augen, aus dem Sinn? Eine ganze Menge gebürtige Ostdeutsche entscheiden sich anders. Sie kehren in die neuen Länder zurück, nachdem sie zuvor in den Westen umgezogen waren - oft auf der Suche nach dem ersten Job. Von den knapp 1,5 Millionen Ostdeutschen, die ihre Heimat seit 1990 verlassen hatten, war bis 2005 ein knappes Drittel wieder zurückgekehrt, zeigen Auswertungen des Sozio-oekonomischen Panels. Rund die Hälfte der Menschen, die von den alten in die neuen Länder umziehen, sind solche Rückwanderer. In letzter Zeit waren das gut 45.000 Menschen pro Jahr, kalkuliert Anke Matuschewski.

Die Professorin für Wirtschaftsgeografie an der Uni Bayreuth hat in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten explorativen Studie untersucht, warum es berufstätige Menschen zurück in den Osten zieht, welche Erfahrungen sie machen und welche Rolle sie auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt spielen. Dazu befragte die Forscherin knapp 50 Frauen und Männer, die nach Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen zurückgekehrt sind, sowie über 50 ostdeutsche Arbeitgeber, die Rückwanderer suchen oder eingestellt haben.

Drei Typen Rückwanderer. Die Mehrheit der befragten Heimkehrer ist zwischen Ende 20 und Mitte 40, hat einen höheren Bildungsabschluss und einige Berufserfahrung. Trotz ihrer Abwanderung sind sie ihrer ostdeutschen Heimat emotional verbunden geblieben und hielten Kontakt nach Hause. Der Wunsch, wieder näher bei Eltern, Verwandtschaft und alten Freunden zu sein, ist für viele wesentlich bei der Rückkehrentscheidung. Hinzu kommt bei einigen die Unzufriedenheit mit den Lebensbedingungen an ihrem West-Wohnort, etwa vergleichsweise hohen Mieten. Den konkreten Entschluss zur Rückwanderung fassten viele in einer privaten oder beruflichen Umbruchsituation. Die kann allerdings ganz unterschiedlich aussehen, wie die drei Typen zeigen, die Matuschewski auf Basis ihrer Befragungen gebildet hat:

  • Rückwanderer vom Typus "Karriere" wollten zwar vor allem aus privaten Gründen wieder in die alte Heimat. Doch auch eine zweite Voraussetzung muss erfüllt sein, bevor sie den Wunsch in die Tat umsetzen: Sie haben im Osten einen guten Job gefunden, konnten oft sogar beruflich aufsteigen. Die Partnerinnen oder Partner dieser Befragten nehmen dagegen teilweise in Kauf, beruflich zurückzustecken. Insgesamt sind die Karriere-Rückwanderer zufrieden mit ihrem Entschluss. Noch einmal wegzugehen, das können sich in dieser Gruppe die jüngeren ohne Kinder vorstellen, während die älteren häufig schon eine Immobilie gekauft haben.
  • Andere Prioritäten setzen die Angehörigen einer zweiten Gruppe, die Matuschewski mit "Priorität Familie und Freunde" beschreibt. Diese Rückwanderer A sind (wieder) Singles und möchten sich im Osten ein neues Leben aufbauen. Für sie war entscheidend, ins vertraute soziale Umfeld zurückzukommen. Ein Teil von ihnen kehrt ohne klare Jobperspektive heim, andere akzeptieren deutliche Einbußen beim Einkommen oder Jobs, die unter ihrer Qualifikation liegen. Obwohl ihre private wie berufliche Situation offen ist, sind sie fest entschlossen, diesmal zu bleiben.
  • Nur auf der Durchreise sind hingegen Angehörige des dritten Typus, die Matuschewski "Jobnomaden" nennt. Diese Beschäftigten haben zwar eine Wohnung in ihrem ostdeutschen Herkunftsort behalten. Sie wandern aber schon seit Jahren der Arbeit hinterher - sei es als Fernpendler oder durch wiederholte Umzüge.

Erfahrung und Vertrauensbonus. Ostdeutsche Arbeitgeber stellen Re-Migranten ein gutes Zeugnis aus. Neben berufsspezifischem Know-How nennen die Chefs als weitere Pluspunkte hohe Motivation sowie die beruflichen und geschäftlichen Kontakte, die Rückwanderer aus dem Westen mitbrächten. Zugleich schätzen die Arbeitgeber, dass die Ost-West-Deutschen sich in der Region auskennen: Sie wissen Bescheid über Umgangsformen, Institutionen und Geografie, und sie genießen unter ihren Ost-Kollegen einen Vertrauensbonus. Dadurch integrieren sie sich schneller und können ihr Fachwissen und ihre Berufserfahrungen voll einbringen.

Vor allem im Bereich der Fach- und Führungskräfte habe die Rückwanderung erhebliche Bedeutung, um Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zu verringern, resümiert Matuschewski. Und weil viele der Heimkehrer im Familiengründungsalter sind, stabilisieren sie zudem Bevölkerungsstruktur und Immobilienmärkte im Osten. Allerdings dürften etliche potenzielle Rückwanderer am Ende doch nicht die Koffer packen, schätzt die Geografin. Das niedrigere Lohnniveau in den neuen Ländern scheint eine erhebliche Hürde darzustellen. Jedenfalls berichteten zahlreiche befragte Arbeitgeber, dass sie ihre freien Stellen zu den regional üblichen Löhnen nicht mit Rückwanderern besetzen konnten.

  • ie neuen Länder sind 20 Jahre nach dem Mauerfall immer noch ein Abwanderungsgebiet. Doch die Lücke ist kleiner geworden. Derzeit ziehen knapp 100.000 Menschen pro Jahr von West nach Ost. Rund die Hälfte davon sind so genannte Rückwanderer: Gebürtige Ostdeutsche, die nach einem längeren Aufenthalt im Westen zurückkehren. Zur Grafik

Anke Matuschewski: Stabilisierung der Regionalentwicklung in Ostdeutschland durch Rückwanderung, Bayreuth, Dezember 2008

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