zurück
HBS Böckler Impuls

Altersversorgung: Hohe Hürden vor der Zuschussrente

Ausgabe 17/2011

Das Bundesarbeitsministerium schlägt eine „Zuschussrente“ vor. Sie dürfte nur wenige Geringverdiener vor Altersarmut schützen. Denn die Zugangshürden sind hoch, zeigt eine Analyse.

Viele Wissenschaftler warnen davor, dass Altersarmut künftig deutlich zunehmen wird. Auch das WSI hält das für sehr wahrscheinlich. Denn atypische, oft schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse haben sich ausgebreitet. Gleichzeitig ließen mehrere Rentenreformen zur Stabilisierung der Beitragssätze das Niveau der gesetzlichen Rente sinken. „Wenn nicht gegengesteuert wird, kann Altersarmut wieder zu einem zentralen sozialen und politischen Problem werden“, sagt WSI-Forscher Florian Blank.

Um das Problem zu entschärfen, propagiert das Bundesarbeitsministerium eine „Zuschussrente“. Dabei sollen geringe Alterseinkünfte in bestimmten Fällen auf monatlich 850 Euro aufgestockt werden. Das wäre spürbar mehr als die Grundsicherung im Alter, die bedürftige Senioren nach einer Bedarfsprüfung erhalten. Den Zuschuss sollen Rentnerinnen und Rentner bekommen, die nur geringe Einkommen hatten und daher wenig in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen konnten – aber das über viele Jahre getan haben. „Insbesondere Frauen, die lange Kinder erzogen haben und für andere Menschen da waren, müssen wir nach einem arbeitsreichen und verantwortungsvoll geführten Leben besser absichern“, so Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.

Das Konzept aus dem Arbeitsministerium knüpft die „Zuschussrente“ allerdings an hohe und teilweise wenig transparente Zugangsvoraussetzungen. Zu diesem Schluss kommt Johannes Steffen. Der Sozialexperte der Arbeitnehmerkammer in Bremen hat einen prägnanten Überblick über Details und Konsequenzen des Vorschlags zusammengestellt:

Kein Zuschuss ohne Zusatzvorsorge. 40 Versicherungsjahre, davon 30, in denen Beiträge aus Beschäftigung gezahlt wurden oder für die Zeiten für die Kinderziehung oder die Pflege von Angehörigen angerechnet werden – das ist die eine Bedingung, die Geringverdiener der Jahrgänge 1950 bis 1956 für die Zuschussrente erfüllen müssten. Für jüngere Versicherte, die erst ab 2023 in Rente gehen können, erhöht sich die Anforderung auf 45 Versicherungs- und 35 Beitragsjahre.

Als zweite Voraussetzung verlangt der Entwurf private oder eigenfinanzierte betriebliche Vorsorge fürs Alter. Wer 1950 oder 1951 geboren ist, muss so beim Renteneintritt 2016 oder 2017 zusätzlich noch 5 „Riester-Jahre“ nachweisen, in denen sie oder er staatlich geförderte Vorsorge betrieben hat. Danach gilt: Je jünger die Versicherten sind, desto mehr „Riester-Jahre“ brauchen sie. Die notwendige Zahl steigt linear von Jahrgang zu Jahrgang bis auf 35 Vorsorge-Jahre für alle, die ab 1979 geboren wurden.

Die komplizierte Kombination und der zusätzliche finanzielle Aufwand für die private Absicherung könnten Geringverdiener überfordern, schätzt Steffen. Der Markt für Riester-Produkte dürfte noch unübersichtlicher werden, wenn Anbieter mit dem Argument „Ohne Riestern keine Zuschussrente“ Vertriebsoffensiven unter Niedriglohn-Beschäftigten starten würden.

Familie und Beruf vereinbart? Das zählt nicht. Ein besonderes Problem kommt nach Steffens Analyse ausgerechnet auf Frauen zu, denen es gelungen ist, Familienarbeit mit Berufstätigkeit zu vereinbaren. Das macht der Experte mit Berechnungen für zwei fiktive Erwerbsbiografien deutlich.

Beide Vergleichspersonen, A und B, haben ein Kind. Person A arbeitete 25 Jahre lang in einer recht gut entlohnten Teilzeittätigkeit. Zur Kindererziehung und zur Pflege eines Angehörigen unterbrach sie ihre Berufstätigkeit über insgesamt zehn Jahre. Person B war auch 25 Jahre lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zumeist allerdings in niedrig entlohnter Vollzeit. Zur Kindererziehung setzte sie nur kurz aus, arbeitete dann wieder Vollzeit. Später ging sie auf eine Dreiviertelstelle, um einen Angehörigen zu pflegen. Über insgesamt zehn Jahre ihrer Erwerbsbiografie war Beispielperson B nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Als mögliche Gründe nennt Steffen selbstständige Tätigkeit, Praktika oder Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug.

Unter dem Strich, rechnet der Experte vor, haben beide Personen gleich lang gearbeitet. Person B, die Vollzeitbeschäftigte, hat mehr in die Rentenkasse eingezahlt als A. Trotzdem würde nach dem vorliegenden Vorschlag nur A die Zuschussrente erhalten. B bekäme eine Mini-Rente von 549 Euro. Grund: Dass die Frau mit Erziehung beziehungsweise Pflege und Berufstätigkeit zeitweilig buchstäblich zwei Jobs gleichzeitig hatte, zählt rentenrechtlich nicht. Der Versicherten fehlen daher die notwendigen Beitragsjahre.

Johannes Steffen, Arbeitnehmerkammer Bremen: Info-Seiten zur Zuschussrente vom 


Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen