Klimaschutz: Grüner Wasserstoff als Jobmotor
Der Umstieg auf grünen Wasserstoff erfordert hohe Investitionen. Langfristig kann sich das lohnen, wie eine Studie am Beispiel Niedersachsen zeigt.
Das aktuelle Klimaziel der CO₂-Neutralität bis 2045 erfordert einen grundlegenden Umbau der deutschen Wirtschaft. Besonders betroffen sind Branchen, die viel Energie verbrauchen und große Mengen an CO₂ freisetzen. Für sie ergeben sich nach gegenwärtigem Stand der Technik drei Szenarien: erstens die Umstellung auf grünen Wasserstoff, zweitens die Speicherung und Nutzung von CO₂ und drittens die Abwanderung aus Europa, um die künftig steigenden Kosten emissionsintensiver Produktion zu vermeiden. Jedes dieser Szenarien hätte unterschiedliche Auswirkungen auf das Wachstum und den Arbeitsmarkt in Deutschland.
Wie diese aussehen könnten, hat Anke Mönnig von der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung am Beispiel Niedersachsen analysiert. Die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie entstand unter anderem in Kooperation mit dem DGB Niedersachsen. Da das Abfangen und Nutzen von CO₂ in Deutschland bislang noch nicht möglich ist, konzentriert sich die Studie auf die beiden anderen Szenarien: einen Umstieg auf grünen Wasserstoff oder eine Einschränkung beziehungsweise Abwanderung der Produktion.
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Das Ergebnis: Wird die Wasserstoffproduktion so hochgefahren, wie in der Nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehen, könnte die Wertschöpfung in Niedersachsen bis 2040 insgesamt um fast 200 Milliarden Euro steigen. Zudem könnten bis zu 60 000 neue Arbeitsplätze entstehen. Die größten Stellenzuwächse gäbe es in Wilhelmshaven, Stade und Salzgitter. Besonders profitieren würde das Baugewerbe. Energieintensive Industrien könnten unter den geschaffenen Voraussetzungen klimaneutral weiterproduzieren. Zwar würde die Transformation hohe Kosten verursachen, die vorübergehend zulasten der lokalen Produktion und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gingen, dennoch würden die positiven Effekte überwiegen. „Die Transformation der Wirtschaft kann nur gelingen, wenn Unternehmen, die aufwendige Investitionen in umweltfreundliche, wasserstoffbasierte Techniken tätigen, Unterstützung erhalten. Außerdem müssen die Beschäftigten auf den Umgang mit der neuen Technologie vorbereitet werden“, erklärt Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung.
Niedersachsen bietet mit der Windenergie an den Küsten, umfangreichen Speicherkapazitäten in Salzkavernen und wichtigen Häfen für den Wasserstoffimport gute Voraussetzungen für die Wasserstoffwirtschaft. Mit mehr als 50 Prozent der bis 2030 geplanten deutschen Wasserstoffproduktion und der Hälfte der prognostizierten Elektrolysekapazitäten spielt das Bundesland eine entscheidende Rolle für die Energiewende. Zudem will Niedersachsen bereits bis 2040 Klimaneutralität erreichen, also noch früher als die Bundesrepublik insgesamt.
Aktuell ist grüner Wasserstoff jedoch noch knapp und teuer, während fossile Energien wie Erdgas günstig sind. Die vereinzelt zu beobachtende Abkehr von der Wasserstoff-Transformation sei „zum heutigen Zeitpunkt aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar“, heißt es in der Analyse. Damit der Umstieg auf Wasserstoff gelingt, müssen zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden:
- In der Übergangsphase sollte die Politik Investitionen in die Infrastruktur entlang der gesamten Wertschöpfungskette fördern. Dazu gehören der Ausbau von Elektrolyseuren, des Wasserstoff-Kernnetzes, der Importhäfen und von Speichern sowie die Umrüstung bei den Unternehmen.
- Solange grüner Wasserstoff vergleichsweise teuer bleibt, werden Unternehmen an fossilen Energien festhalten, in Länder mit günstigeren Energiepreisen abwandern oder ihre Produktion herunterfahren. Die Politik hat Möglichkeiten, steuernd in die Preisgestaltung einzugreifen.
- Durch staatliche Maßnahmen wie beispielsweise Quoten oder Zertifizierungen können „grüne Leitmärkte“ entstehen und damit die Nachfrage nach Wasserstoff in der Anfangsphase stimuliert werden.
- Mit potenziellen Exportländern von grünem Wasserstoff sollten frühzeitig Kontakte geknüpft, Abnahmegarantien vereinbart und die Entwicklung der Infrastruktur unterstützt werden.
Anke Mönnig: Die Grüne Wasserstofftransformation in Niedersachsen, DGB Niedersachsen, September 2025