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HBS Böckler Impuls

Finanzmärkte: Finanzmarkt-Regulierung: Im Detail viel erreicht, Grundprobleme ungelöst

Ausgabe 07/2012

2009 kündigten die Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsmächte an, die Finanzmärkte so zu regulieren, dass sich die 2007 ausgebrochene Krise nicht wiederholen kann. Inzwischen ist vieles umgesetzt. Doch das dürfte nicht ausreichen.

Die beiden Krisen-Treffen der G-20 endeten 2009 mit umfassenden und konkreten Vereinbarungen. Inwieweit diesen Beschlüssen in Europa und den USA Taten gefolgt sind, hat der Berliner Wirtschaftsprofessor Sebastian Dullien im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Sein Fazit: „Anders als häufig öffentlich wahrgenommen, haben die Regierungen sowohl in den USA als auch in der EU seitdem große Anstrengungen unternommen, die Finanzmärkte zu regulieren und haben eine Vielzahl ihrer Detailvorschläge umgesetzt.“ Allerdings stelle sich aus heutiger Sicht die Frage, ob „der Grundansatz der G-20 nicht zu kleinteilig war und zu wenig auf ein echtes Umdenken bei der Finanzmarktregulierung gesetzt hat“. Vor allem sei wenig geschehen, um makroökonomische Ungleichgewichte zu beseitigen.

Gelöste Detailfragen. Während die Regulierung der Finanzmärkte in den USA mit dem Dodd-Frank-Act praktisch auf einen Schlag geschah, verteilen sich die Änderungen in Europa auf eine Reihe von Richtlinien und Verordnungen, die noch nicht alle Gesetzeskraft haben. Insgesamt sei die Umsetzung der angekündigten regulatorischen Einzelmaßnahmen aber weit fortgeschritten, schreibt Dullien. So gebe es in der EU mit dem „European System for Financial Supervision“ nun ein Netzwerk neuer Finanzaufsichtsbehörden. Mit „Basel III“ existieren inzwischen neue Eigenkapitalregeln, die Banken höhere Risikopuffer abverlangen und nach Einschätzung des Wissenschaftlers sowohl in Europa als auch in den USA bald zum Einsatz kommen dürften. Ebenfalls auf globaler Ebene arbeitet das neue Financial Stability Board, dem die größten Finanzinstitutionen der Welt bis zum Jahresende Abwicklungspläne für den Insolvenzfall vorlegen müssen. Komplexe Finanzprodukte, Hedge-Fonds und Rating-Agenturen werden sowohl in den USA als auch in Europa strenger reguliert. In der EU gelten zudem nun striktere Vorgaben für die Managervergütung, um die Anreize für riskante Geschäftsstrategien zu reduzieren.

Dennoch ist nach Dulliens Ansicht nicht sicher, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichen. Denn in der Vergangenheit entstanden neue Finanzprodukte und Marktstrukturen stets schneller, als die Finanzaufsicht neue Überwachungsstrukturen einrichten konnte. Der Wirtschaftsforscher schlägt vor, dem mit einem Finanz-TÜV einen Riegel vorzuschieben: Finanzinnovationen wären vorab zu genehmigen. Damit müssten Finanzinstitute beweisen, dass neue Wertpapierarten der Wirtschaft nützen – und ihre Stabilität nicht gefährden.

Offene Grundsatzfragen. Zudem waren nicht alle G-20-Statements von 2009 so konkret wie die zur Finanzmarktregulierung. Dullien schreibt, dass „die groben makroökonomischen Linien nur schwammig formuliert“ wurden. Zwar heißt es, dass „ausgeglichenere Leistungsbilanzen zu fördern“ seien. Konkrete Vorschläge blieben jedoch aus. So gibt es der Studie zufolge bis heute keinen Mechanismus, der Handels­ungleichgewichten entgegenwirkt. Lediglich innerhalb der EU seien im Rahmen des neuen fiskalpolitischen Regelwerks Möglichkeiten geschaffen worden, Sanktionen gegen Länder mit unausgeglichener Leistungsbilanz zu verhängen. Jedoch habe die EU die Wirksamkeit des neuen Instruments auf Drängen Deutschlands gleich wieder eingeschränkt: Indem für Länder mit negativer Leistungsbilanz engere Grenzwerte festgelegt wurden als für Überschussländer, werde „die Anpassungslast einseitig den Defizitländern auferlegt“, so der Wissenschaftler.

Ein weiteres Problem, das zu den tieferen Ursachen der Krise zähle, bleibe unkorrigiert: das seit den 1970er-Jahren in den Industrieländern gewachsene Einkommensgefälle. Die Deregulierung der Arbeits- und Finanzmärkte habe das Wachstum der Masseneinkommen gebremst und zu einer Aufblähung der Kreditnachfrage und des Finanzsektors insgesamt geführt. Dadurch sei etwa die Spekulationsblase am US-Immobilienmarkt entstanden. Um die Proportionen wieder zurechtzurücken, reiche es nicht aus, nur die Finanzmärkte zu regulieren. Vielmehr sei ein international koordiniertes Umsteuern bei Lohn-, Steuer- und Sozialpolitik nötig.

  • Seit 2010 wachen mehrere neue Behörden über das Geschehen in der europäischen Finanzbranche. Zur Grafik
  • Die Unwuchten im internationalen Handel und Kapitalverkehr haben sich auch drei Jahre nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise kaum verringert. Zur Grafik

Sebastian Dullien: Anspruch und Wirklichkeit der Finanzmarktreform: Welche G20-Versprechen wurden umgesetzt? (pdf), Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, IMK Study Nr. 26, März 2012.

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