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HBS Böckler Impuls

Norwegen: Anschub für die Gleichberechtigung

Ausgabe 07/2006

In weltweiten Vergleichen zur Geschlechtergleichstellung belegt Norwegen jeweils Spitzenplätze. Erreicht wurde dies in den vergangenen 30 Jahren mit einem umfassenden System aus Quoten und aktiver Förderung. Der jüngste Gleichstellungscoup: Seit Januar 2006 gilt eine gesetzliche Quote für Top-Positionen in der Privatwirtschaft.

Mindestens 40 Prozent Frauen muss eine norwegische Aktiengesellschaft im Vorstand haben. Damit wurde eine Änderung des Unternehmensrechts, die seit 2004 für alle öffentlichen Unternehmen galt, Anfang dieses Jahres auch für private Aktiengesellschaften übernommen. Zwei Jahre Übergangsfrist bleiben den Unternehmen, um die gesetzlichen Anforderungen der 40-Prozent-Quote umzusetzen, die übrigens für beide Geschlechter gilt. Die Einhaltung wird mit den normalen Kontrollroutinen des Handelsregisters durchgesetzt. Erfüllt ein Unternehmen die gesetzlichen Anforderungen zur Zusammensetzung des Vorstandes nicht, wird die Eintragung verweigert - oder es kann per Gerichtsbeschluss aufgelöst werden.

Dieser Regelung ging die Erkenntnis voraus, dass selbst eine Gesellschaft, deren erklärtes politisches Ziel seit 30 Jahren die Gleichstellung der Geschlechter ist, allein mit Absichtserklärungen keine Chancengleichheit erreicht. "Die norwegischen Erfahrungen mit der Gleichstellungspolitik weisen darauf hin, dass strenge Quoten das wirksamste Mittel sind, um eine Änderung des Systems der männlichen Dominanz herbeizuführen", schreibt Mari Teigen vom Institut für Sozialforschung in Oslo. Das Diskriminierungsverbot allein genügte nicht.

Seit den 70er-Jahren hat Norwegen ein umfangreiches System von Quotenregelungen und aktiver Förderungspolitik entwickelt. Diese gelten in fast allen gesellschaftlichen Feldern - wie Bildung, Politik und Wirtschaft. Im privaten Bereich verlangt die "Vaterquote", dass ein - kleiner - Teil des Elternurlaubs vom Vater genommen wird. Drei Typen aktiver Förderung unterscheidet die Osloer Soziologin:

Bevorzugte Behandlung: Bei Einstellungen und Beförderungen wird bei gleicher Qualifikation die Frau eingestellt - oder in weiblichen Domänen der Mann. Die Regel gilt im staatlichen und städtischen Bereich sowie bei einigen Privatunternehmen. Allerdings brachte diese vorsichtige Formulierung keinen durchschlagenden Erfolg.

Förderverfahren: Als wirkungsvoller erwiesen sich gezielte Förderverfahren wie das Bonuspunktesystem, bei dem Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts ein bis zwei Bonuspunkte erhalten, mit denen sie ihre Zulassungschancen erhöhen. Das gilt zum Beispiel für Frauen an technischen Universitäten. Als noch effektiver erwies sich die so genannte Zweckbindung. Frauen mit einer Zulassungspunktzahl von bis zu zehn Prozent unter der normalen Zulassungsgrenze erhalten einen Studienplatz zu denselben Bedingungen wie die Bewerberinnen und Bewerber, die sich in der ersten Runde qualifiziert haben.

Mindestvertretung: Diese Vorschriften geben eine feste Geschlechterquote vor - in der Regel 40 Prozent. Erstmals eingeführt wurden sie bei der Besetzung von öffentlich bestellten Ausschüssen, Räten und Kommissionen. Seit 2004 gilt dies auch für öffentliche Unternehmen und jetzt eben zusätzlich für private Aktiengesellschaften. Aktuell sind 45 Prozent der Vorstandsmitglieder in öffentlichen Unternehmen weiblich, in den privaten Aktiengesellschaften erst 17 Prozent. Solche Mindestquoten existieren auch auf Grundlage freiwilliger Vereinbarungen. So haben die wichtigsten politischen Parteien - außer den Konservativen und der Fortschrittspartei - Quoten eingeführt.

Im Jahr 2000 ließ die norwegische Regierung untersuchen, wie sich die Spitzenpositionen im Land auf die Geschlechter verteilen. Dabei zeigte sich in allen gesellschaftlichen Bereichen ein deutlicher Zusammenhang zwischen Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter und dem Anteil der weiblichen Führungskräfte.

In den Elitepositionen dominierten nach wie vor die Männer. An der Spitze der politischen Parteien, wo die Quote schon am längsten galt, fanden sich 37 Prozent Frauen. In der Privatwirtschaft waren nur 2 von 100 Top-Managern weiblich. Eine Quotenregelung gab es hier seinerzeit noch nicht - und auch weniger aktive Frauenförderung als in Politik und Verwaltung. Trotz großer Fortschritte bei der Gleichstellung seien "in den zentralen Machtarenen nach wie vor die Männer dominant", so Teigen.

  • Ein Überblick über den Anteil der Frauen in Führungspositionen in Norwegen. Zur Grafik

Mari Teigen: Die norwegische Gender-Politik: Quoten und aktive Förderung, in: WSI-Mitteilungen 3/2006.

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