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HBS Böckler Impuls

Weiterbildung: Bafög und Co. ausbauen

Ausgabe 16/2019

Wie soll Weiterbildung in Zukunft finanziert werden? Die Hans-Böckler-Stiftung hat dazu eine umfangreiche Studie vorgelegt.

Machen die anderen alles besser? Braucht Deutschland ein System individueller Bildungskonten, wie es Frankreich eingeführt hat, die Möglichkeit einer „Bildungskarenz“ nach österreichischem Vorbild oder einen nationalen Weiterbildungsfonds? Der Arbeitssoziologe Gerhard Bosch, Senior-­Professor am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen, ist diesen Fragen nachgegangen. Sein Fazit: Mehr Weiterbildung ist zwar unerlässlich, damit Beschäftigte den Anschluss an die technologische Entwicklung nicht verlieren – gerade wenn sie immer später in Rente gehen sollen. Allerdings wäre es wenig sinnvoll, die bestehenden Strukturen durch gänzlich neue zu ersetzen oder mit zusätzlichen Instrumenten einen undurchsichtigen „Förderdschungel“ zu schaffen. Vielmehr ließen sich die „bereits bestehenden Institutionen mit einer überschaubaren Anzahl von Stellschrauben zu einem schlüssigen öffentlichen Fördersystem für lebenslanges Lernen ausbauen“. 


So unbestritten der Nutzen von Weiterbildung ist, so unklar ist auf den ersten Blick, wie sie finanziert werden soll. Manche argumentieren, jeder solle seine Ausbildung selbst bezahlen, schließlich kassiere er ja anschließend die Bildungsrendite in Form eines besser bezahlten Jobs. Allenfalls könne der Staat regulierend eingreifen, falls der Bildungsmarkt versagt und Lernwilligen ohne finanzielles Polster keine Kredite für Aus- oder Weiterbildungskosten zur Verfügung stellt. Dies ist beispielsweise in den USA die dominante Sichtweise. Doch es gibt gute Argumente für ein starkes finanzielles Engagement des Staates in Sachen Weiterbildung. Schließlich, so Bosch, liege es im öffentlichen Interesse, das Wirtschaftswachstum durch gut ausgebildete Arbeitskräfte zu fördern und kostenträchtige Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Auch darauf, dass die Unternehmen sich schon um die nötige Qualifizierung ihrer Mitarbeiter kümmern werden, könne man sich nicht ohne Weiteres verlassen. Denn Unternehmer oder Manager befürchten bisweilen, dass sich die Investitionen nicht rentieren, weil die Mitarbeiter nach einer teuren Qualifikation den Job wechseln könnten, und werben lieber Fachkräfte von anderen Firmen ab. Im Ergebnis werde insgesamt zu wenig für die Fortbildung getan.


In Deutschland ruht die öffentlich geförderte Aus- und Weiterbildung im Wesentlichen auf zwei Säulen: dem ursprünglich für Schüler und Studierende geschaffenen Bafög, das heute auch Gesellen auf dem Weg zur Meisterprüfung und anderen beruflich Qualifizierten offensteht, und den Leistungen der Arbeitsagentur. Letztere halfen Bosch zufolge jahrzehntelang, den Strukturwandel abzufedern. Allerdings wurde die Reichweite immer weiter beschränkt – insbesondere im Zuge der Hartz-Reformen mit der Durchsetzung des Grundsatzes „Vermittlung vor Qualifizierung“. Vor allem die Teilnehmerzahlen längerfristiger Fortbildungsprogramme sind daraufhin eingebrochen. 


Inzwischen geht der Trend von Diskussion und Gesetzgebung nach Boschs Beobachtung allerdings wieder in Richtung Ausbau öffentlich geförderter Fortbildung. So würden etwa Vorschläge ins Spiel gebracht wie die zeitweise von der OECD propagierten Bildungskonten. Nach detaillierter Auseinandersetzung mit den Erfahrungen in anderen Ländern – etwa der geringen Inanspruchnahme von Kontenmodellen durch Niedrigqualifizierte – kommt Bosch zu dem Schluss, dass gute Gründe dafür sprechen, am hiesigen System festzuhalten. Stattdessen schlägt er eine Reihe konkreter Änderungen vor, um künftige Herausforderungen zu bewältigen. Die wichtigsten Punkte:

  • Altersgrenzen für Bafög aufheben; wobei Ältere höhere, ihren Lebensumständen angemessene Fördersätze erhalten sollten. Die bestehenden Grenzen sind Bosch zufolge möglicherweise ohnehin gesetzeswidrig, weil sie eine Altersdiskriminierung darstellen. 
  • Erleichterung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und informell erworbener Kenntnisse;
  • Möglichkeit einer zweiten Berufsausbildung für alle, die ihren ersten Beruf nicht mehr ausüben können;
  • Rechtsanspruch auf Teilfreistellung für Fortbildung;
  • bessere finanzielle Förderung Arbeitsloser, die sich weiterbilden, und längere Förderung von „lernentwöhnten Langzeitarbeitslosen“;
  • Einführung eines Transformationskurzarbeitergeldes zur Bewältigung des Strukturwandels;
  • höhere Arbeitslosenversicherungsbeiträge von Firmen, die befristet Beschäftige oder Leiharbeiter einstellen.

  • Vor allem die Teilnehmerzahlen längerfristiger Fortbildungsprogramme sind nach den Hartz-Reformen eingebrochen. Zur Grafik

Gerhard Bosch: Öffentliche Finanzierung von Weiterbildung im Strukturwandel, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 158, September 2019

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