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HBS Böckler Impuls

Alterssicherung: Rentenreform beginnt am Arbeitsmarkt

Ausgabe 09/2014

Die diskutierten Rentenreformen allein werden Altersarmut nicht verhindern können. Um Beschäftigte künftig vor zu niedrigen Renten zu schützen, müssten auch der Arbeitsmarkt neu geordnet und das Rentenniveau neu diskutiert werden.

Die Rentenkonzepte der Bundestagsparteien haben – trotz deutlicher Unterschiede im Detail – im Kern eine Gemeinsamkeit: Zentrales Element der Konzepte ist es, eine Mindestabsicherung für Ältere einzuführen, die oberhalb des Existenzminimums liegt. Für den Sozialwissenschaftler Gerhard Bäcker vom Institut Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen sind diese Reformansätze zu sehr vom Ende her gedacht: „Ein allein nachträglicher Ausgleich der unterschiedlichen Arbeitsmarktprobleme durch die Rentenberechnung stößt in einem erwerbs- und beitragsbezogenen Alterssicherungssystem auf Grenzen, und zwar nicht nur auf Grenzen der Finanzierbarkeit, sondern auch auf Grenzen der Akzeptanz.“ Denn nach der Leistungs-Logik des Rentensystems leitet sich die Rente aus dem früheren Lohn ab. Werden jedoch immer mehr Renten beitragsunabhängig aufgestockt, stellt sich den Beschäftigten zunehmend die Frage, ob sich ihre Beiträge überhaupt auszahlen. Bäckers Reformvorschläge setzen daher bei einer Re-Regulierung des Arbeitsmarktes an.

Wie es zu Niedrigrenten kommt: In der gesetzlichen Rentenversicherung bemisst sich die Höhe der Altersbezüge an der Lohnhöhe und der Zahl der Beitragsjahre. Beide Faktoren sind derzeit am Arbeitsmarkt unter Druck, was künftig zu niedrigen Renten führen dürfte. Den Beschäftigten falle es zunehmend schwerer, so Bäcker, im Erwerbsverlauf lückenlos Rentenansprüche zu erwerben: Der Einstieg ins Berufsleben dauert für die Jungen zusehends länger, befristet Beschäftigte und Leiharbeiter haben ein höheres Risiko arbeitslos zu werden, Frauen bleiben nach einer Auszeit zur Erziehung der Kinder häufig in beitragsfreien Minijobs hängen und ältere Beschäftigte schaffen den Altersübergang in die Rente seltener ohne Phasen der Erwerbslosigkeit. Hinzu kommen zum Teil geringere Einkommen, aus denen sich dann auch nur eine kleine Rente ergibt. Beispielsweise ist in den vergangenen Jahren der Niedriglohnsektor gewachsen. Zudem arbeiten Frauen häufig nur in Teilzeit und verdienen entsprechend weniger. Bäcker folgert daraus, dass von niedrigen Renten vor allem „Langzeitarbeitslose, Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen sowie in Niedriglohnbranchen betroffen“ sein werden.

Wie der Arbeitsmarkt sich ändern muss: Der Forscher nennt zahlreiche Ansatzpunkte, um „Rentenanwartschaften in ausreichender Höhe“ aufzubauen. Neben dem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn empfiehlt er größere Anstrengungen zur Vereinbarkeit: Für Frauen, die heute oft ein hohes Risiko tragen, künftig in Altersarmut zu geraten, müsse es einfacher werden, einen Vollzeitjob und die Familie unter einen Hut zu bringen. Dafür sei ein besseres Betreuungsangebot für Kinder ebenso nötig wie ein Ausbau der ambulanten und stationären Pflege für Ältere. Zudem empfiehlt er, die Anreize etwa im Steuersystem auf den Prüfstand zu stellen, die Frauen in eine Nebenverdienerrolle drängen. Schließlich hält er es für unabdingbar, Langzeitarbeitslose zu regulären Konditionen in den Arbeitsmarkt einzugliedern und sie nicht in Leiharbeit und Niedriglohnjobs zu drängen.

Reformen des Rentensystems – etwa zur besseren Absicherung erwerbsfreier Zeiten zur Kindererziehung oder aufgrund von Arbeitslosigkeit – seien zwar durchaus sinnvoll. Ausreichen würden sie aber wahrscheinlich nicht, wenn das Rentenniveau bis 2030 wie erwartet auf 43 Prozent sinkt, argumentiert Bäcker. Denn dann würde „selbst bei einem Mindestlohn von über zehn Euro und bei einer langjährigen Vollzeitbeschäftigung die Rente unter dem Grundsicherungsniveau liegen“. Private Vorsorge und Betriebsrenten könnten das vermutlich nicht auffangen – schließlich habe die Finanzmarktkrise die Schwächen der kapitalgedeckten Altersvorsorge aufgedeckt. Aus den Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt ergebe sich außerdem noch ein anderes Problem: Die immer schwieriger zu erwerbenden Renten-Punkte sind wegen des Absinkens des Rentenniveaus künftig auch noch weniger wert. Wenn also über Altersarmut gesprochen wird, komme man nicht an der Aufgabe vorbei, den weiteren Rückgang des Rentenniveaus zu verhindern und entsprechend die Rentenanpassungsformel zu verändern.

  • Das Rentenniveau ist im Sinkflug. Zur Grafik

Gerhard Bäcker: Niedrigrenten, Arbeitsmarkt und Rentenversicherung – Erfordernis einer integrierten Ursachenanalyse und Reformstrategie, in: Ernst Kistler/Falko Trischler (Hrsg.): Reformen auf dem Arbeitsmarkt und in der Alterssicherung, edition der Hans-Böckler-Stiftung, Band 196, Düsseldorf 2014

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