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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeit: Mehr Rechte für Vereinbarkeit

Ausgabe 07/2011

Beschäftigte haben zunehmend Interesse an flexiblen Arbeitszeiten. Bislang bestehen jedoch fast ausschließlich Ansprüche, die Arbeitszeit zu reduzieren.

Kinderbetreuung, Pflegeaufgaben, Ehrenamt: Viele Arbeitnehmer haben aus guten Gründen verschiedene Wunsch-Arbeitszeiten. Diese kollidieren häufig mit den Anforderungen der Arbeitgeber, die den Produktions- und Aufgabenrhythmus im Blick haben. Für den einzelnen Beschäftigten besteht das Recht auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit in der Regel aber nur im Zusammenhang mit Freistellungs- und Teilzeitansprüchen, so Christian Paschke. Der Jurist von der Universität Frankfurt/Oder stellte beim diesjährigen Hans-Böckler-Forum für Arbeits- und Sozialrecht erste Forschungsergebnisse des Projekts "Soziales Recht der Arbeit" vor.

Teilzeit bedeutet allerdings geringeres Einkommen. Auch können die Rentenansprüche wegen Kindererziehung oder Pflege die Anspruchsverluste in der Rentenversicherung wegen Teilzeitarbeit nur begrenzt kompensieren. Zudem befürchteten viele Beschäftigte, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit für sie in eine Sackgasse führen könnte, ergänzt Paschke. Denn Rechte auf befristete Teilzeit und Rückkehr in Vollzeit gebe es nicht - seien aber unbedingt erforderlich. Nur vereinzelt existieren unter engen Voraussetzungen Ansprüche auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit, beispielsweise für Nachtarbeiter bei konkreter Gesundheitsgefährdung, Kinderbetreuung oder Pflege. Zumindest für Alleinerziehende entschieden Arbeitsgerichte, deren Arbeitgeber müsse sich bei seinen Anforderungen an die Arbeitszeit zum Beispiel nach den Öffnungszeiten der Kinderkrippe richten. Auch sieht die europäische Elternzeitrichtlinie vor, dass Beschäftigten bei ihrer Rückkehr aus der Elternzeit neue Arbeitszeitarrangements zustehen. Die Richtlinie muss bis zum 8. März 2012 in deutsches Recht umgesetzt werden.

In der Praxis können Beschäftigte ihre Ansprüche nur bedingt durchsetzen, so Paschke. Der Arbeitgeber kann dagegen betriebliche Gründe vorbringen - wie Produktionsabläufe, die nicht unterbrochen werden dürfen. Nicht selten spielen Gleichbehandlungsinteressen eine Rolle: Unbequeme Schichten und unbeliebte Arbeitszeiten sollten gleichmäßig unter den Beschäftigten verteilt werden, besagen viele Betriebsvereinbarungen. Gleichbehandlung bedeute aber auch die Berücksichtigung legitimer Einzelinteressen, gibt der Jurist zu bedenken. Die Vereinbarungen sollten Personen mit hohem Sorgeaufwand ein Recht auf bedürfnisgerechte Arbeitszeiten einräumen. Dem Betriebsrat komme hier eine wichtige Rolle zu: Er müsse künftig stärker unterschiedliche Interessen und Motivationen der Beschäftigten gewichten und ausgleichen.

Christian Paschke: Soziales Recht der Arbeit: Individualisierung der Arbeitszeit?, Vortrag beim 8. Hans-Böckler-Forum für Arbeits- und Sozialrecht, Berlin, 24. März 2011; Projekt gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung

mehr Infos zum Projekt "Arbeits- und sozialrechtliche Regulierung für Übergänge im Lebenslauf. Ein Beitrag für ein Soziales Recht der Arbeit"

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