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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Teilzeitarbeit bremst Karriere

Ausgabe 02/2009

Seit acht Jahren gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. Er sollte es Beschäftigten erleichtern, qualifizierte Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Doch Teilzeit-Führungskräfte sind nach wie vor die große Ausnahme.

Weniger als ein Viertel aller Führungspositionen in der Privatwirtschaft war 2004 mit Frauen besetzt. Und von den wenigen Chefinnen arbeiteten nur 14 Prozent in Teilzeit. Bei den männlichen Führungskräften sind es sogar nur 2 Prozent, wie der Mikrozensus des Statistischen Bundesamts zeigt. Angelika Koch, Professorin an der Universität Duisburg-Essen, hat untersucht, warum Führungsposition und familienfreundliche Arbeitszeiten so selten zusammenkommen. Ihre Interviews mit 20 Personalverantwortlichen aus fünf Großunternehmen machen deutlich, wie fest die Vorstellung vom rund um die Uhr arbeiteten Chef in den Köpfen verankert ist.

Arbeitszeitverkürzung blockiert Aufstiegsmöglichkeiten. Beschäftigte mit Kindern haben seit 2001 einen Rechtsanspruch auf reduzierte Arbeitszeit während und nach der Elternzeit. Es sei denn, Arbeitgeber können betriebliche Gründe nachweisen, die dies unmöglich machen. Das ist im reformierten Erziehungsgeld- und im Teilzeit- und Befristungsgesetz festgelegt. Die überwiegende Zahl der Personalverantwortlichen steht dem Anspruch auf Teilzeitarbeit jedoch ablehnend gegenüber, so Koch - unabhängig davon, ob der Antrag in oder nach der Elternzeit gestellt wird. Berufliche Aufstiege aus Teilzeitjobs schlossen fast alle befragten Personalverantwortlichen aus. Leitungspositionen werden fast nie als Teilzeitstelle ausgeschrieben.

"Eine weit über die Vollzeit hinausgehende Arbeitszeit ist für Führungskräfte selbstverständlich." Dieser Meinung sind zumindest die meisten interviewten Personaler. Führungskräfte müssten uneingeschränkt verfügbar und für die Mitarbeiter ansprechbar sein, argumentieren die Befragten. In den Augen einiger ist Teilzeitarbeit gleichbedeutend mit einer "laxen Arbeitsmoral", Vorgesetzte sollten jedoch eine Vorbildfunktion erfüllen. Geteilte Leitungspositionen lehnen die Personaler ab. Begründung: Solche Konstruktionen führten wegen unterschiedlicher Führungsstile zu Reibungsverlusten. Kreative Lösungen, zum Beispiel zeitliche und inhaltliche Teilung von Arbeitsplätzen, Stellvertreterregelungen oder flexible Erreichbarkeit von Vorgesetzten, werden praktisch kaum in Betracht gezogen.

Die Befragten begründen die Ablehnung der Teilzeitrechte "mit einem betrieblichen Effizienzkalkül", so Koch. Tatsächlich orientieren sie sich am eigenen Arbeits- und Lebensmodell - Rundum-Verfügbarkeit für den Beruf. Die Wissenschaftlerin beschreibt zwei typische Fälle:

Typ 1 - Erwerbs- und Fürsorgearbeit schließen sich grundsätzlich aus. So sehen es viele, vor allem männliche, Personalverantwortliche. Sie begreifen Arbeit als Lebensform. Die ständige betriebliche Verfügbarkeit sei Teil einer "männlichen Identitätskonstruktion", so Koch. Die Wissenschaftlerin schildert die Ansichten eines Managers mit Personalverantwortung Mitte 50, der während seiner gesamten Laufbahn in Vollzeit arbeitete. Seine beiden Töchter wurden von seiner Frau betreut, die ihre akademische Laufbahn dafür aufgab. Er verweist auf eine scheinbar natürliche Geschlechterdifferenz und meint, Frauen, die sich für die Familie entschieden haben, hätten sich damit automatisch gegen die Karriere entschieden. Frauen, die ihre Teilzeitrechte in Anspruch nehmen, werden von ihm kaltgestellt: nicht ihrer Qualifikation entsprechend eingesetzt und ausgegrenzt.

Das eigene Arbeits- und Lebensmodell gilt als alternativlos, so die Analyse. Teilzeit in hochqualifizierten Positionen anzuerkennen, stelle die eigene Berufsbiografie und die familiären Kosten dafür infrage.

Typ 2 - das Wochenende muss für die Familie reichen - erkennt Fürsorgearbeit zwar als unterstützenswert an, hält sie jedoch für unvereinbar mit der beruflichen Praxis einer Führungskraft. Als Beispiel führt Koch eine 40-jährige promovierte Naturwissenschaftlerin im mittleren Management an. Sie praktiziert seit Jahren ein Arbeitszeitmodell, bei dem sie während der Woche dem Unternehmen unbegrenzt zur Verfügung steht. Fürsorgearbeit leistet sie am Wochenende und in der Nacht. Als Personalverantwortliche sieht sie Teilzeitarbeit als "Schutzraum" für Beschäftigte, denen sie eine geringere Leistungsfähigkeit unterstellt. Mitarbeiterinnen, die in Teilzeit arbeiten, weist sie Arbeitsbereiche mit geringeren Anforderungen zu. Für Führungskräfte schließt sie dieses Arbeitszeitmodell aus.

Auch im Fall dieser Managerin ist die eigene Erwerbsbiografie ausschlaggebend für ihr Handeln als Personalverantwortliche: Ihr Wunsch, nach der Geburt des zweiten Kindes in Teilzeit zu arbeiten, wurde abgelehnt.

Koch plädiert für weitere gesetzliche Regelungen, um gesellschaftliche Veränderungen nicht ausschließlich "den individuellen Lernprozessen Einzelner" zu überlassen. Hierzu gehöre eine effektivere Gestaltung der Teilzeitrechte: Unternehmen dürfe es nicht so leicht gemacht werden, Teilzeitwünsche abzulehnen. Gefördert werden sollte außerdem eine stärkere Inanspruchnahme von Erziehungszeiten durch Väter. Zudem stehe eine arbeitsrechtliche Gleichstellungsgesetzgebung in der Privatwirtschaft noch aus.

  • Je größer die Unternehmen sind, desto weniger Frauen finden sich in Führungspositionen – auch wenn ein relativ großer Teil der Beschäftigten weiblich ist. Zur Grafik

Angelika Koch: Elternzeit - Teilzeit - (Aus)zeit? Teilzeitrechte in Führungspositionen, in WSI-Mitteilungen 11+12/2008
 
dies.: Allzeitverfügbar? Rechtsansprüche auf Teilzeit in der betrieblichen Praxis bei Hochqualifizierten mit Kindern, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2008

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