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zu sehen ist die Bühne beim Jubiläum des IMK mit Jasmin Fahimi als Rednerin Service aktuell

Jubiläum: 20 Jahre IMK: Den Mainstream gedreht

In Berlin blickte die Hans-Böckler-Stiftung auf die Gründung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung vor 20 Jahren zurück. Damals stellte sich das Institut gegen den allgemeinen Wirtschaftskurs.

[15.07.2025]

Von Fabienne Melzer 

Ist es erst oder schon 20 Jahre her? Beim Rückblick auf die Gründung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung fällt die Entscheidung gar nicht so leicht. Einerseits wirken 20 Jahre recht jung, andererseits erscheinen die wirtschaftlichen Debatten der Gründungsjahre sehr weit weg. Die schwierigen Bedingungen, unter denen das IMK vor 20 Jahren startete, zogen sich als roter Faden durch alle Reden zur Feier des Jubiläums Anfang Juli in Berlin.  

Das Gründungsjahr 2005 war geprägt von der Agenda 2010, einer schwachen Wirtschaft und hoher Arbeitslosigkeit. Der Mainstream der Wirtschaftsökonomen machte die Gewerkschaften für die wirtschaftliche Lage verantwortlich. Die Arbeitnehmervertreter fanden mit ihren wirtschaftlichen Ideen in den Debatten kein Gehör. Daran erinnerten unter anderem der jetzige Direktor des IMK, Sebastian Dullien, und sein Vorgänger und Gründer des IMK, Gustav Horn, in ihren Reden. „Vor 20 Jahren gab es keine Stimme für progressive Wirtschaftspolitik“, sagte Sebastian Dullien. „Gustav Horn hat dieser Strömung getrotzt und das IMK etabliert.“  

Das rein marktwirtschaftliche Denken aufgebrochen 

Gegen den Strom schwimmt das IMK heute nicht mehr unbedingt. Es zählt inzwischen zu den führenden Wirtschaftsinstituten, was der Wirtschaftsjournalist Thomas Fricke mit der Aufzählung einiger vorderer Platzierungen des IMK in verschiedenen Wirtschaftsrankings belegte. Jung, voller Elan und gleichzeitig etabliert nannte auch der österreichische Finanzminister, Markus Marterbauer, das IMK in seinem Grußwort. Er erinnerte sich, dass auch in Österreich Ökonomen erleichtert waren, als das IMK vor 20 Jahren als Gegengewicht zum ökonomischen Mainstream gegründet wurde. Gustav Horn empfindet die ökonomischen Debatten 2025 weniger konfrontativ als vor 20 Jahren. „Wir schwimmen nicht mehr gegen den Strom, denn der Strom hat sich geändert“, sagte Horn. 

zu sehen ist Gustav Horn beim IMK Jubiläum

Von allein änderte sich die Richtung allerdings nicht. DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sieht darin vor allem einen Erfolg der Arbeit des IMK. „Ihr habt uns in vielen Debatten den Rücken gestärkt und das rein marktwirtschaftliche Denken der damaligen Zeit aufgebrochen“, sagte Fahimi. Sie erinnerte an die lange Auseinandersetzung um die Schuldenbremse, in die zuletzt Bewegung kam. „Es ist uns gelungen, den Gedanken, dass wir investieren müssen, bis in die Union hineinzutragen“, sagte Fahimi. „Das IMK hat nie Studien unseriös zusammengekloppt, und deshalb kommt man am IMK nicht vorbei.“ Bei seiner Forschung habe das Institut nicht nur neue Wege, sondern auch neue Verbündete gesucht. Fahimi verwies auf das Investitionsprogramm von IMK und dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft, das sie erstmals 2019 gemeinsam vorgelegt hatten.

Vordenker für politische Entscheidungen 

Immer wieder griff die Politik in den vergangenen Jahren auch Konzepte des IMK auf. So bewegte das IMK in der Finanzkrise 2008 die Regierung zu einem Konjunkturprogramm. „Vielen Wirtschaftsberatern fiel damals nichts ein“, sagte Horn. Und natürlich fehlte auch der aktuellste Vorschlag nicht: Die Energiepreisbremse der Bundesregierung hatte das Institut gemeinsam mit Isabella Weber, Professorin an der University Massachusetts Amherst und Senior Research Fellow am IMK, entwickelt. Yasmin Fahimi wies an diesem Punkt auf die besondere Ausgewogenheit des Vorschlags hin. „Mit der Energiepreisbremse gelang es, ökonomisch zu entlasten, ohne die ökologischen Ziele aus den Augen zu verlieren.“ 

zu sehen sind u.a. Jasmin Fahimi, Claudia Bogedan, Gustav Horn, Sebastian Dullien beim IMK Jubiläum

Isabella Weber, die per Video aus den USA zugeschaltet war, warf auch einen Blick auf die zukünftigen Aufgaben des IMK. Das Institut der Hans-Böckler-Stiftung sei auch für die globale Gemeinschaft der Ökonomen ein wichtiges Gegenwicht in vielen Debatten und werde als solches weiter gebraucht. Denn noch immer gebe es sehr einseitige wirtschaftspolitische Entscheidungen. „So gilt noch immer, dass es nur ein Mittel zur Inflationsbekämpfung gibt: die Zinspolitik“, sagte Weber. Dabei sei Inflation auch eine Verteilungsfrage ebenso wie die Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. „Steigende Temperaturen sind auch ein Angebotsschock“, sagte Weber. „Unter dem Aspekt der gerechten Verteilung braucht es daher einen Katastrophenschutz für relevante Sektoren.“ Deutschland brauche insgesamt ein neues Wirtschaftsmodell, das die Demokratie erhält und schützt. 

Die Marktfrage radikaler stellen 

Mehr Radikalität wünschte sich Tom Krebs, Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim und ebenfalls Senior Research Fellow am IMK. „Der Erfolg birgt immer die Gefahr, dass man Mainstream wird“, sagte Krebs. Der Mittelweg sei aber nicht immer der Beste. „Wir müssen die Marktfrage radikaler stellen“, sagte Krebs. Unter anderem meinte er damit die Eigentumsfrage. Öffentliches Eigentum sei lange Zeit verpönt gewesen. Inzwischen zeigten aber empirische Studien, dass privates Kapital es nicht immer besser könne. Das gelte etwa für die gesamte kritische Infrastruktur der öffentlichen Versorgung. Die Forschung müsse die Frage stellen: Staat oder Black Rock? 

Um öffentliche Beteiligung komme der Staat auch nicht herum, wenn er Produktion hier halten wolle. Beim Stahl gibt es für Krebs nur eine Wahl: „Staat oder gar nicht.“  

Für staatliche Lenkung plädierte auch Yasmin Fahimi, indem sie IMK-Direktor Dullien zitierte: „Wenn der Markt unerwünschte Ergebnisse liefert, sollte der Staat eingreifen.“ Die Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung, Claudia Bogedan, war sich sicher, dass das IMK auch in Zukunft die Perspektive der Beschäftigten und Schwachen in die Politik einbringen wird. „Wir haben es bei der Inflation gemacht und wir werden es auch bei der CO²-Bepreisung machen müssen“, sagte Bogedan. Auch auf den Einsatz des nun bewilligten Sondervermögens werde das Institut ein Auge haben und darauf achten, ob es auch tatsächlich für Infrastruktur und eine gerechtere Gesellschaft ausgegeben wird. Das sei schließlich das Ziel des IMK, sagte Sebastian Dullien: „Wir wollen Empfehlungen geben, die Deutschland etwas gerechter machen.“

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