zurück
Blick über den Rhein auf das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg Magazin Mitbestimmung

Wirtschaft: Wohin die Milliarden fließen

Ausgabe 05/2025

Auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung herrschen in Ost- und Westdeutschland noch unterschiedliche Voraussetzungen für private und öffentliche Investitionen in Unternehmen. Von Andreas Schulte

Schauplatz Duisburg: Auf dem Gelände von Thyssenkrupp, im Schatten der alten Hochöfen, soll auf einer Baustelle die Zukunft des Stahls entstehen. Eine neue Anlage wird hier voraussichtlich ab 2027 Stahl mithilfe von umweltverträglichem Wasserstoff produzieren. Die Methode soll neue Marktanteile und damit Arbeitsplätze der kriselnden Stahlbranche sichern. Dafür investieren Unternehmen und Staat gemeinsam. Zusammen haben beide bereits drei Milliarden Euro für die neue Produktionsanlage gegeben.

Schauplatz Dresden: Der Chiphersteller TSMC baut im Dresdener Norden eine Chipfabrik. Lange war die Fläche dort unbebaut. Dann errichteten vor wenigen Jahren Bosch und Infineon neue Werke. Nirgendwo in Europa werden heute mehr Chips gefertigt als in Dresden. Zu den fünf Milliarden Euro, die TSMC mit der jüngsten Ansiedlung aufwendet, schießt der Staat die gleiche Summe hinzu.

Die beiden Beispiele zeigen: Wenn Staat und Unternehmen gemeinsam Geld in die Hand nehmen, unterscheiden sich die Investitionen in Ost- und Westdeutschland auch nach 35 Jahren. Ein Hauptgrund: „Große Gewerbeflächen, die erschlossen und frei sind, sind rar – und in Westdeutschland praktisch nicht existent“, lautet das Ergebnis einer Befragung der staatlichen Wirtschaftsförderungen durch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). In den östlichen Bundesländern rücken bei Investitionen daher großflächige Neuansiedlungen in den Fokus. „In Westdeutschland ist oft der Erhalt von Arbeitsplätzen in etablierten Branchen das Ziel“, sagt Oliver Schweizer, Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY und Experte für Immobilien und Infrastrukturprojekte.

So ist es auch in Papenburg. Gemeinsam mit dem Land Niedersachsen investiert der Bund rund 400 Millionen in die dortige Meyer Werft. Damit hält der Staat übergangsweise 80 Prozent der Anteile an der Werft und bürgt zudem für eine Summe von etwa einer Milliarde Euro. So sichert er Kredite für die Finanzierung der beauftragten Schiffsneubauten bis Ende 2027. „Dadurch werden nicht nur Tausende Arbeitsplätze gerettet, sondern wichtige Teile des Schiffbaus in ganz Deutschland“, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich anlässlich des Staatseinstiegs.

In Ostdeutschland siedelten sich zuletzt der E-Autobauer Tesla im brandenburgischen Grünheide an und bei Dresden der weltgrößte Chiphersteller TSMC. Die großen Player schielen nicht nur auf ein verfügbares und möglichst günstiges Betriebsgelände. Eine große Ansiedlung kann einen Dominoeffekt auslösen. Denn der Investition in ein Unternehmen folgt bei größeren Projekten der Wohnungsbau für die Beschäftigten. Deshalb spielen auch Baupreise bei der Entscheidung über eine Ansiedlung eine Rolle. Sie sind in Ostdeutschland niedriger als im Westen und locken dringend benötigte Fachkräfte an.

Blick von oben auf die Baustelle für die TSMC-Chipfabrik in Dresden am Abend.
Baustelle für die TSMC-Chipfabrik in Dresden: Im Westen fließen Investitionen eher in bestehende Werke, im Osten in Neubauten.

Investitionen sichern Arbeitsplätze

Erst im Juli konkretisierte das Dresdner Unternehmen FMC seine Pläne für den Bau einer Chipfabrik bei Magdeburg auf einer Fläche in der Größe von 140 Fußballfeldern. Drei Milliarden will das Unternehmen investieren und bittet den Staat um Hilfe, angeblich geht es um 1,3 Milliarden Euro. Diese öffentliche Subvention würde die Region langfristig anschieben. 3000 Arbeitsplätze sollen durch die neue Chipfabrik direkt bei FMC entstehen.

Doch ob in Ost oder West: Staatliche Hilfen für Unternehmen sind keine Selbstläufer. Eine Verteilung der Mittel je Bundesland variiert je nach Programm. Die sogenannte „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) beispielsweise soll nicht Ost oder West fördern, sondern Arbeitsplätze schaffen und wirtschaftliche Ungleichheiten ausgleichen. Unternehmen können sich durch sie bis zu 45 Prozent der Investitionskosten zuschießen lassen. Der Bund unterscheidet bei der Vergabe von Geldern nicht nach Ost und West. „Hohe Fördergelder fließen oft dort, wo Regionen vergleichsweise schlecht entwickelt sind“, sagt Schweizer.

Oft hängt die Höhe der staatlichen Beihilfen zudem vom Zustand der Infrastruktur ab. Wo sie nicht oder nur in Grundzügen existiert, fallen staatliche Förderungen daher oft höher aus. So erhielt TSMC für sein Vorhaben auf der grünen Wiese 50 Prozent der Gesamtinvestitionssumme vom Staat. Der Chiphersteller Infineon bekommt für sein neues Werk, das an bestehende Fabriken in Dresden angrenzt, hingegen nur 20 Prozent. Experte Schweizer sieht trotz der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Ost und West grundsätzlich kein allzu großes Gefälle. „Ich habe noch nicht davon gehört, dass ein größeres Unternehmen innerhalb von Deutschland den Standort von Ost nach West oder umgekehrt verlegt hätte. Letztlich muss es darum gehen, Arbeitsplätze in ganz Deutschland zu sichern und zu schaffen.“

Zugehörige Themen