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Portraitfoto von Nicole Simons, Aufsichtsrätin beim Baukonzern Hochtief Magazin Mitbestimmung

Aufsichtsratsporträt: Vom Streiklokal in den Aufsichtsrat

Ausgabe 04/2025

Nicole Simons kontrolliert den Baukonzern Hochtief. Gewerkschaftsarbeit ist für sie Berufung. Von Andreas Schulte

Ganz vorne will Nicole Simons mit dabei sein, im Kopf eines der haushohen Tunnelbohrer, die sich auf Baustellen von Hochtief durch Berge und Gestein fräsen. „Da will ich einmal mitfahren“, sagt die Aufsichtsrätin des deutschen Baukonzerns. „Das wäre ein Erlebnis.“ Nicht nur die Abenteuerlust treibt sie an. „Sich durchzusetzen und den Weg vorzugeben, das sind Assoziationen, die mir gut zu Gesicht stehen.“

Mit dem Kopf durch die Wand, fällt einem als Bild zum Tunnelbohrer noch ein. Passt aber nicht. „Ich bin eine Verhandlerin. Ich mag es, gemeinsam Lösungen zu finden“, sagt Simons. So hat sie das fast immer gemacht. Neben dem Aufsichtsratsmandat bei Hochtief hilft ihr diese Vorliebe zudem als stellvertretende IG BAU-Vorsitzende. „Gewerkschaft ist meine Berufung. Mir war es wichtig, auf der richtigen, der guten Seite zu stehen. Ich will Reiche nicht noch reicher machen, sondern jenen helfen, die es brauchen.“

Mit der Gewerkschaft kommt sie schon als Kind in Berührung. Ihre Eltern betreiben eine Kneipe in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen Stahlkonzerns Hoesch in Dortmund. Stahlarbeiter nutzen die Gaststätte als Streiklokal.

Ihr direkter Weg zur Gewerkschaft führt dann aber zunächst über den Gerichtssaal. Ihre erste Stelle nach ihrem Jurastudium in Münster verschlägt sie in eine Bochumer Kanzlei mit einem Mandat für die IG BAU. Dort kann sie ihren Schwerpunkt auf Arbeitsrecht einbringen. Doch die Anziehungskraft der Gewerkschaft ist größer als die der Kanzlei. Schon bald wechselt sie zur IG BAU. Über den Bezirksverband Düsseldorf, die Koordination der Rechtsabteilung in der Region Rheinland und die Stellvertretung der Regionalleitung gelangt sie 2017 in den Bundesvorstand. „Ich durfte in der IG BAU als junge Frau gleich alles anpacken. Ob das Kollektivrecht war, Interessensausgleiche oder Tarifverträge.“

2014 beginnt sie als Konzernbetreuerin beim Baukonzern Hochtief und seit 2022 ist sie stellvertretende Bundesvorsitzende der IG BAU. „Ich kann dort Interessen der Arbeitnehmer durchsetzen, das macht mich stolz.“ Auch hier verhandelt sie – zum Beispiel im vergangenen Jahr den Haustarifvertrag bei Hochtief. Rund acht Prozent sowie eine Einmalzahlung holt sie heraus. „Eigentlich war das ein wirklich gutes Ergebnis“, sagt sie. Aber nach den Jahren mit hoher Inflation sind viele enttäuscht. „Es gab viel Kritik an dem Abschluss, vor allem an der langen Laufzeit von 23 Monaten.“ Entmutigen lässt sie sich nicht. Bei Hochtief und vier weiteren Gesellschaften sitzt sie seit 2016 im Aufsichtsrat. Der Baukonzern sei um Harmonie mit dem Gremium bemüht. „Zu Beginn meiner Zeit wurden wir noch häufig übergangen. Mittlerweile informiert uns das Management über Veränderungen frühzeitig. Das haben wir uns erkämpft.“

Um den Anforderungen gerecht zu werden, hält sie politische und betriebliche Entwicklungen sowie juristische Veränderungen fest im Blick. Für die Aufgaben im Aufsichtsrat bildet sie sich weiter – unter anderem in der Hans-Böckler-Stiftung. Ein Viertel ihrer Zeit verwendet sie auf die Arbeit für die Aufsichtsratsmandate. Wie viele Stunden pro Woche arbeitet sie? „Och, das weiß ich gar nicht, jedenfalls deutlich mehr als üblich.“ Da bleibt selten Zeit für anderes. Aber falls doch, will sie selbst an ihren wenigen freien Wochenenden vorne mit dabei sein, den Weg vorgeben. Dann fährt sie gerne Motorrad.

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