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Magazin Mitbestimmung

Von KAY MEINERS: Preise: Wo der Euro das Doppelte wert ist

Ausgabe 01/2017

Wissen Was kann ich wo für einen Euro kaufen? In welchem Land kann ich preiswert Urlaub machen? WSI-Wissenschafler Eric Seils hat den Überblick.

Von KAY MEINERS

Wer erleben will, wie das eigene Geld seinen Wert verdoppelt, muss sich einfach nur in ein Flugzeug nach Sofia oder Tirana setzen. Soll es doch lieber Zürich sein, muss der Reisende in Kauf nehmen, dass sein Geld rund ein Drittel weniger wert ist als in Deutschland. Natürlich gilt das nicht für alle Waren. Aber es gilt für die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten.

Blitzschnell klickt sich Eric Seils durch die Datenbanken von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union. Ein paar Mausklicks später erscheint eine Tabelle, die Kaufkraftparitäten zwischen allen EU-Staaten auflistet. In jede einzelne Zahl sind die Preise von 2500 Gütern und Dienstleistungen eingeflossen.

Es ist heute leichter, von Preisdifferenzen zu profitieren

Unterschiedliche Preisniveaus sind längst nicht mehr nur für die Wissenschaft interessant. Auslandsreisen sind im Vergleich zu Inlandsreisen in den letzten Jahren günstiger geworden. Der Online-Handel boomt. Das macht es einfacher als früher, im EU-Ausland einzukaufen. Die letzten Daten zu Kaufkraftparitäten, die Eurostat bereitstellt, stammen von 2015.

Seils sind sie zu alt. Ihn interessiert das Bild Ende 2016. Denn Aktualität ist auch in der Wissenschaft eine Währung, besonders wenn man auch noch öffentliche Resonanz erzielen will.

Auf der Jagd nach aktuellen Zahlen

Der einzige Weg, aktuellere Daten zu erzeugen, führt über die Internetportale der nationalen Statistikämter, wo man frische Inflationsraten abfragen kann. Mit ihrer Hilfe kann man dann die EU-Statistik mit den Kaufkraftparitäten aktualisieren. Seils und seine Kollegen haben ein 29-seitiges Dossier für den internen Gebrauch verfasst, das die Wege durch den Statistikdschungel jedes Staates beschreibt, wie ein Reiseführer.

„In armen und kleinen Ländern kommt man schwieriger an die Daten als in reichen und großen Ländern“, sagt Seils. Für Kroatien zum Beispiel gibt es nur eine PDF-Datei, die man noch nicht einmal im Ganzen ausdrucken kann.

Am billigsten ist es in Mazedonien

Nach einer längeren Recherche und ein wenig Rechnerei stehen die neuen Zahlen für 39 Länder. Nimmt man Deutschland als Basisland mit einem Indexwert von 100,00, gibt es die niedrigsten Lebenshaltungskosten aktuell in Mazedonien (45,3), gefolgt von Bulgarien (46,1), Albanien (48,2) und Serbien (48,5).

Die niedrigen Preise der Region lassen sich auch daran ablesen, dass man für ein Kilo Reis in Ungarn und Litauen nur etwa halb soviel zahlt wie bei einem deutschen Discounter.

Besonders günstig sind auch arbeitsintensive Dienstleistungen. So kostet ein Männerhaarschnitt in Polen 4,10 Euro und in Ungarn 5,90 Euro. Im vergleichsweise wohlhabenden Slowenien belaufen sich die Kosten für einen solchen Haarschnitt auf etwa 15 Euro.

In Osteuropa treffen Reisende nicht nur auf niedrigere Preise, sondern auf manches, das aus deutscher Sicht kurios anmutet: Montenegro gehört nicht zur Eurozone und hat keine eigene Währung. Die Folge ist, dass im Alltag der Euro verwendet wird.

In Bosnien-Herzegowina und Bulgarien werden deutsche Touristen ein Déjà-vu erleben, weil die bosnische Konvertible Mark und der bulgarische Lew rechnerisch der alten D-Mark entsprechen. Sie stehen heute in einem festen Wechselkurs zum Euro (1,95583).

Die Schweiz ist das teuerste Land

Mit einem Indexwert von 158,5 ist die Schweiz auch weiterhin das teuerste Land in Europa. Hier muss man für Waren und Dienstleistungen knapp 60 Prozent mehr zahlen als im Basisland Deutschland. Mit Ausnahme Luxemburgs zeichnen sich die teuersten Länder in Europa durch allgemein hohe Lebenshaltungskosten und extrem hohe Preisniveaus für alkoholische Getränke und Tabak aus.

Auch in den nordischen Ländern, in Irland (121,4) und Luxemburg (119,2) sind die Preise für den privaten Verbrauch deutlich höher als hierzulande.

Bis vor kurzem gehörte auch Großbritannien zur Gruppe der sehr teuren Staaten. Der geplante Brexit hat jedoch zu einem Wertverlust des Pfundes in Relation zum Euro geführt, so dass das Land aus deutscher Sicht etwas günstiger geworden ist. Frankreich(105,1) ist nur geringfügig teurer als Deutschland.

Im Vergleich mit großen  Volkswirtschaften wie den USA (109,4) oder Japan (117,8), aber auch mit den europäischen Spitzenreitern bei den Lebenshaltungskosten lebt es sich in Deutschland relativ günstig. Dies gilt besonders für Alkohol. Unter den westeuropäischen Ländern muss man nur in Spanien noch weniger zahlen.

Eine Ausnahme beim Preisvergleich mit den USA stellt aus europäischer Sicht das Benzin dar. Es kostet im Landesdurchschnitt nur 54 Cent pro Liter und ist damit in den reichen USA etwa halb so teuer wie in den vergleichsweise armen Ländern Osteuropas.

Erhebliche Differenzen bei Einzelpreisen

Dass die Preisdifferenzen bei Genuß- oder Suchtmitteln oder bei Benzin besonders groß sind, hat auch mit Steuern zu tun. Viele Länder erleben sogenannte Prohibitiv-Steuern: Abgaben, die so hoch sind, dass sie vom Konsum abschrecken sollen. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass die Staatskasse gefüllt wird, wenn die Menschen sie trotzdem kaufen. In Irland beeindruckt, dass man dort mittlerweile mehr als 10 Euro für eine Schachtel Zigaretten bezahlen muss.

Wenn Eric Seils auch Einzelpreise ermittelt, dann nicht, um den großen Statistikämtern Konkurrenz zu machen und selbst Indizes zu entwickeln. Die Einzelpreise dienen lediglich der Illustration und der besseren Vermittelbarkeit seiner Ergebnisse. Um eine Inflationsrate für Deutschland zu berechnen, erhebt das Statistische Bundesamt Monat für Monat mehr als 300 000 Einzelpreise, die in 600 Gütergruppen zusammengefasst werden. „Das ist eine Datenbasis, auf die man bauen kann“, sagt Seils. „Auch wenn streng genommen jeder Mensch seine persönliche Inflationsrate hat.“ Je nachdem, was er kauft. Und wo.

Fotos: Karsten Schöne

 

Weitere Informationen

Wieviel ist mein Geld in 39 Ländern wert? Ausführliche Tabellen als Special Feature im WSI-Verteilungsmonitor

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