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Emmanuel Holm, 44, arbeitet als Friseur, Schuhputzer und Schuster in Ghana. Magazin Mitbestimmung

Von KAY MEINERS: Ich bin Friseur in Ghana

Ausgabe 02/2018

Mein Arbeitsplatz Emmanuel Holm, 44, arbeitet als Friseur, Schuhputzer und Schuster in seinem kleinen Laden in der Tay Agbozo St. 8 in Keta im westafrikanischen Ghana.

Von KAY MEINERS

„Ein Haarschnitt kostet bei mir 4 Cedi. Das sind 75 Cent. Aber viele Kunden haben die 4 Cedi nicht. Sie bieten mir 2 oder 3 Cedi an, was gerade da ist. Was ich dann mache? Ich nehme das Geld. Denn ich kenne meine Kunden. Ich weiß, dass viele wirklich nicht mehr haben, und ich brauche selbst jeden Cedi. Deswegen biete ich zusätzlich zum Haareschneiden noch Schuhputzen und Schuhreparaturen an. Aber das bringt kaum etwas ein.

Die Plakate in meinem Salon sind nicht nur zum Schmücken da. Die Kunden suchen sich danach oft die Haarschnitte aus. Der Kunde ist König.  Aber ich bin auch noch da. Ich berate sie. Dazu sehe ich mir den Kopf an und die Gesichtsform – und dann rate ich ab oder zu. Mein wichtigstes Arbeitsmittel ist der elektrische Scherer, den ich für das Kopfhaar und auch für Bärte einsetzen kann. Der ist fast wichtiger als die Scheren, mit denen ich auch arbeite. Auf dem Gerät ist sogar ein Prüfzeichen aus Europa. Ein verdammt teures Gerät. Ich hoffe, das Ding hält ewig und geht nie kaputt. Rasuren mache ich mit der nackten Klinge, ohne Griff. Dazu braucht man eine ruhige Hand.

Es war ein weiter Weg für mich, bis ich diesen Laden hier eröffnen konnte. Ihr habt keine Ahnung davon, wie schwer es ist, es hier zu etwas zu bringen. Angefangen habe ich auf der Straße als Schuhputzer, als es nach der Schule keinen besseren Job für mich gab. Mann, das war eine harte Zeit. Ich habe mir dann alles weitere selbst beigebracht – und zuerst in der Familie und mit Freunden geübt. Die waren zufrieden. Meinen Laden habe ich Sakora Peacecut genannt. Sakora – das bedeutet bei uns Glatze. Ich bin der Glatzenmacher!

Peacecut bedeutet, das ich mit meinen scharfen Instrumenten niemanden verletzen will. Keiner muss Angst haben. Die Werbetafeln, die draußen vor dem Laden hängen, sind handgemalt. Dafür gibt es spezielle Leute bei uns, die so etwas machen. Aber die hängen schon viele Jahre da. Denn hier kennt mich sowieso jeder, und Werbung ist für einen Laden wie meinen nicht so wichtig. Ich halte meinen Laden fast 12 Stunden offen, damit möglichst viel Geld hereinkommt. Um 6.30 oder 7 Uhr komme ich her und gehe fast nie vor 18.30 Uhr. So lange Tageslicht da ist, habe ich geöffnet.  Sechs Tage die Woche.

Meinen deutschen Familiennamen habe ich, weil ich einen deutschen Großvater habe. Manche sagen, ich hätte ein deutsches Gesicht, auch wenn es schwarz ist. Mein Großvater soll als Schiffskoch nach Ghana gekommen sein.  Es gibt viele solcher Geschichten hier an der Küste.  Seit 500 Jahren kommen Europäer hierher – als Entdecker, Sklavenhändler, Seeleute.  Das waren keine Waisenknaben. Daher gibt es viele Mulatten. Heute kommen Geschäftsleute oder Touristen. Inder, Chinesen, Amerikaner, manchmal Deutsche. Aber dass so jemand zu mir kommt, das ist ganz selten. Die gehen lieber in die etwas schickeren Läden, denn Geld spielt für sie keine Rolle. Wir sind arm und sie reich.

Mein Job macht mir Spaß. Aber er bringt einfach zu wenig ein. Ich bin verheiratet und habe eine Tochter. Ich hoffe, dass sie einmal eine bessere Arbeit machen kann als ich.“

Aufmacherfoto: Karsten Schöne

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