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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Eine Offensive für die betriebliche Mitbestimmung

Ausgabe 04/2014

Die Hans-Böckler-Stiftung und die Gewerkschaften laden ein zu einer breiten Diskussion, wie die Praxis und die gesetzlichen Grundlagen der Mitbestimmung verbessert werden können. Von Norbert Kluge.

Mehr als 200 000 Betriebsratsgremien sind das Salz in der Suppe lebendiger Demokratie. Sie stehen dafür, dass die Demokratie vor den Werkstoren nicht aufhört. Sie setzen sich für gute Arbeit ein und für ein besseres Leben – und das in Europäischen Betriebsräten und auf globaler Ebene zunehmend auch über die Grenzen Deutschlands hinaus. Betriebsräte bilden auch die Basis für gewerkschaftliche Gestaltung der Arbeitswelt im Zusammenspiel von Tarifvertrag und betrieblicher Mitbestimmung. In diesen Wochen stehen Betriebsratswahlen auf der Tagesordnung, wie alle vier Jahre zwischen März und Mai. Sie werden erneut die hohe Anerkennung und Wertschätzung für Betriebsräte ausdrücken. Wie in den Vorjahren deutet sich schon jetzt an, dass die Wahlbeteiligung um etliches höher liegen wird als bei allen anderen Wahlen.

Grundlage für die Arbeit von Betriebsräten ist das Betriebsverfassungsgesetz. Wirksam wird es allerdings erst, wenn es Tag für Tag pfiffig und sachkundig angewendet wird. Dabei zeigen sich Stärken, aber auch Schwächen der gesetzlichen Grundlagen. Die Expertinnen und Experten der Hans-Böckler-Stiftung wissen um die gute Arbeit von Betriebsräten, die oft Weichen für wichtige gesellschaftspolitische Maßnahmen stellen – etwa bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder wenn sie in Betriebsvereinbarungen den Rahmen für mobile Arbeit abstecken und sie damit erst ermöglichen. So ist auch der Schutz von Bürgerrechten durch verbesserten Datenschutz auf der Agenda von Betriebsräten gelandet. Gesammelt, dokumentiert und ausgewertet werden diese Zeugnisse betrieblicher Aushandlung übrigens seit über zehn Jahren im „Archiv Betriebliche Vereinbarungen“ der Stiftung. Hier ist ein Wissensschatz herangewachsen, der die Entwicklung der betrieblichen Mitbestimmung im Ringen um gute Lösungen praxisnah widerspiegelt.

Die Stiftungsexpertinnen und -experten kennen sich durch ihre Beratungsarbeit aber auch gut darin aus, wo Betriebsräte der Schuh drückt und wo das Betriebsverfassungsgesetz an die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts angepasst werden muss. Wie kann mehr direkte Beteiligung am Arbeitsplatz gefördert werden, ohne gemeinsame Schutzstandards für Gesundheitsschutz oder Arbeitszeit zu unterlaufen? Wie kann eine effektive Interessenvertretung organisiert werden, wenn das Unternehmen immer häufiger in formalrechtlich selbstständige, aber praktisch miteinander verbundene Betriebe zergliedert wird? Wie kann die Präsenz im mitbestimmten Aufsichtsrat dafür genutzt werden, dem Taktgeber Finanzmarkt bei Investitionen in die Zukunft auch die Wertschätzung für Arbeit zählbar einzupflanzen?

In der jüngst erschienenen Broschüre „Offensive betriebliche Mitbestimmung – Für gute Arbeit im nachhaltigen Unternehmen“ haben die Mitbestimmungsexperten der Stiftung ihr Wissen über die betriebliche Praxis der Mitbestimmung zusammengetragen und zu einer Standortbestimmung über Betriebsräte im Jahr 2014 verdichtet. Wir laden ein zu einer breiten Diskussion, wie Praxis und gesetzliche Grundlagen der Mitbestimmung für die Zukunft verbessert werden sollen.

In diesem Zusammenhang beschäftigen Gewerkschaften gegenwärtig vor allem die weißen Flecken nicht existierender Betriebsräte und die Umwandlung von Arbeitsverträgen in Werkverträge, die der Mitbestimmung im Prinzip nicht unterliegen. Zu den dringlichsten gesetzlichen Veränderungen gehört deshalb aus Sicht von Gewerkschaften, dass arbeitnehmerähnliche Personen in den Mitbestimmungskanon für Betriebsräte einbezogen werden. Damit würde das Prinzip gestärkt, den Schutzstandard für das Normalarbeitsverhältnis auch für schon bekannte oder neue Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Und weiterhin: Wenn es, wie vom Europäischen Parlament im Januar 2013 mit großer Mehrheit beschlossen, Aufgabe der Mitbestimmung sein soll, notwendige strukturelle Veränderungen in Unternehmen vorwegzunehmen und nicht nur die sozialen Folgen von Unternehmensentscheidungen zu kitten, dann muss der Betriebsrat auch Mitwirkungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten bekommen. Lediglich im Wirtschaftsausschuss über wirtschaftliche Vorgänge informiert zu werden, das reicht dann nicht mehr aus.

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