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Magazin Mitbestimmung

Interview: "Ein langer Katalog an Strafen"

Ausgabe 12/2013

Achim Ewald, Betriebsratsvorsitzender bei DHL Express Germany GmbH in Berlin, über Arbeitsbedingungen der Subunternehmer

DHL Express hat die Zustellung zu 100 Prozent fremdvergeben. Wen genau vertreten Sie?

Ich bin zuständig für die Mitarbeiter im Depot, denn die Zustellung ist outgesourct. Aber als Betriebsrat kenne ich die Paketboten und sehe, wie sie arbeiten. 

Wie sehen deren Arbeitsbedingungen aus?

Die Arbeitstage sind sehr lang. Meist um 6 oder 6.30 Uhr morgens holen die Boten die Sendung vom Band, scannen sie ein, beladen das Fahrzeug und gehen auf Tour. Wenn sie abends ins Depot zurückkommen, liegt oft ein Zwölf-Stunden-Tag hinter ihnen. An sechs Wochentagen. Für ein Privatleben bleibt kaum Zeit. In Berlin sind bei der DHL Express Germany GmbH meines Wissens rund 200 Zusteller bei sechs Subunternehmen beschäftigt. Oft setzen diese dann wiederum Sub-Subunternehmen ein.

Gerade bei Privatadressen sind die Empfänger selten zu Hause. Wer trägt das Risiko?

Das wird den Subunternehmen aufgebürdet. Sie haben ein großes Interesse, das Paket an den Mann zu bringen, sonst bekommen sie kein Geld für die Sendung. Oft wird ein Fahrer, wenn er den Empfänger nicht angetroffen hat, nochmals zum Kunden zurückgeschickt. Das verstärkt den Zeitdruck. Zudem gibt es einen langen Katalog von Vertragsstrafen – für das fehlende Einscannen, Adressfehler, Mängel an der Dienstkleidung, Beanstandungen an der Sauberkeit des Fahrzeugs und vieles mehr. Einige Subunternehmen ziehen dafür etwas vom Gehalt ab. 

Welche Möglichkeiten sehen Sie, als Betriebsrat Einfluss zu nehmen?

Was die Situation der Zusteller in den Subunternehmen angeht: gar keine. Die bisherigen Versuche, die Beschäftigten in den Subunternehmen zu organisieren, waren erfolglos. Viele Mitarbeiter haben Angst. Dadurch, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter oft unterschiedlich bezahlen, entsteht Konkurrenz untereinander. Das erschwert das kollektive Handeln. Ein weiteres Organisationsproblem ist die hohe Fluktuation: Ein großer Teil der Fahrer ist nur für kurze Zeit beim Subunternehmen tätig. 

Was müsste geschehen, um die Situation der Zusteller zu verbessern?

Neben der Bezahlung sind vernünftige Arbeitszeiten ein vordringlicher Punkt. Wenn zumindest das Arbeitszeitgesetz eingehalten würde, damit den Fahrern noch ein Stück Familienleben bleibt, wäre das schon ein echter Fortschritt. Dafür wäre eine saubere Dokumentation der Arbeits- und Fahrtzeiten nötig: Auch für kleinere Fahrzeuge sollte es einen Fahrtenschreiber geben. Derzeit halten die Zusteller ihre Arbeitszeiten meistens von Hand fest; da schreibt jeder die Zeiten rein, die ins Konzept passen. Aber am besten wäre, dass DHL die 200 Leute in Berlin selbst einstellt. Doch dazu fehlt der Anreiz. Das Unternehmen erwirtschaftet mit diesem Subunternehmer-Modell traumhafte Gewinne und sieht vermutlich wenig Anlass, diese zu teilen.

Die Fragen stellte Karin Hirschfeld.

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