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Magazin Mitbestimmung

: 'Gute Argumente helfen'

Ausgabe 04/2010

AUFSICHTSRATSPRAXIS Claudia Huber kam als Köchin ins Catering-Gewerbe. Heute entscheidet sie im Aufsichtsrat mit, wenn es um die Belange von Zehntausenden Mitarbeitern geht. Von Daniel Seemann

Daniel Seemann ist Journalist in Hamburg/Foto: Peter Roggenthin

Ihr Büro ist ein schmuckloser Raum in einem Bürokomplex am Rande von Nürnberg. In einer Ecke steht noch ein Umzugskarton, es gibt keine Bilder an der Wand, keine Pflanzen. Nur einen Schreibtisch, einen Computer und ein paar Aktenordner. Sie hat gar nicht erst den Versuch gemacht, in ihrem Büro heimisch zu werden. Als Aufsichtsrätin von zwei Catering- und Kantinenfirmen, der 19?000 Mitarbeiter starken Compass Group Deutschland GmbH und der Eurest Deutschland GmbH, einem Tochterunternehmen mit 8000 Mitarbeitern, ist Claudia Huber viel unterwegs. Außerdem besucht sie regelmäßig Betriebe in Bayern und in Ostdeutschland, für die sie seit 2006 als freigestelltes Mitglied des Gesamtbetriebsrats von Eurest zuständig ist. Angefangen hat Huber 1993 als einfache Köchin in einer Kantine der Deutschen Bank, die von Eurest betrieben wurde. Heute sitzt sie im Europäischen Betriebsrat der Compass Group PLC, des britischen Mutterkonzerns, der zu den weltweit größten Nahrungsmittellieferanten für Catering-Dienste gehört.

Zahlenmäßig sind Huber und Kollegen bei den Sitzungen gleichauf mit der Arbeitgeberseite, denn der Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt. "Es gibt immer wieder Momente, wo auf den Erfahrungsschatz der Arbeitnehmerseite zurückgegriffen und auf Augenhöhe gesprochen wird", sagt Huber. Meist sind das praktische Probleme der Mitarbeiter, die ohne die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gar nicht erst thematisiert würden. Dabei schreckt sie auch nicht davor zurück, schwierige Themen wie bessere Arbeitsbedingungen und eine Verbesserung des Betriebsklimas anzusprechen. Und auch wenn sie nicht ständig im Hosenanzug herumläuft, fühlt sie sich in ihrer Rolle im Aufsichtsrat voll und ganz akzeptiert. Dabei setzt sie eher auf lange Fristen und tragfähige Lösungen. Huber: "Nichts, was mit heißer Nadel gestrickt wurde, ist für die Ewigkeit: Was lange halten soll, muss immer wieder abgewogen, genau durchdacht und im Endeffekt von beiden Seiten gleichermaßen getragen werden."

Die Bilanzen und Berichte der Wirtschaftsprüfer, mit denen Huber bei ihrer Arbeit im Aufsichtsrat in Berührung kommt, machen ihr keine Schwierigkeiten: Sie hatte vor ihrer Ausbildung zur Köchin bereits eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin durchlaufen. Wird die Materie jedoch zu komplex oder wenn es darum geht, Zahlen auf ihre Objektivität hin zu prüfen, lassen sich die Arbeitnehmervertreter wie ihre Gegenüber auf der Anteilseignerseite auch von externen Sachverständigen beraten. Oder sie berät sich mit ihren Kollegen von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, bei der sie im Hauptvorstand sitzt. "Es kommt allein darauf an, den richtigen Lösungsweg zu finden", sagt sie.

Einer der Erfolge der Vertreterin der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat ist die Wiedereinführung der Beikochschulung, einer Qualifizierungsmaßnahme für angelernte Beschäftigte im Unternehmen. Gute Argumente helfen, sagt sie - das sei auch im Aufsichtsrat von Eurest so. "Die Mitarbeiter sind das höchste Gut, das Eurest zur Verfügung steht, und das versteht zuweilen auch die Aktionärsseite", sagt Huber. Obwohl die Anteilseignerseite durch ihren direkten Draht zur Geschäftsführung inhaltlich immer besser informiert zu sein scheint. In der Vergangenheit kam es sogar vor, dass sie von einem geplanten Unternehmenszukauf erst aus der Presse erfahren hat. Dieses Problem wurde aber zur Sprache gebracht, und der Informationsfluss ist jetzt wesentlich besser.

Die Wirtschaftskrise hat ihr Unternehmen stark getroffen, denn viele der Betriebsstätten sind in die Autoindustrie eingegliedert und daher in Kurzarbeit. Vor allen Dingen die befristet Beschäftigten, die mittlerweile fast 20 Prozent der Belegschaft ausmachen, haben nun Existenzängste. Ob es in naher Zukunft zu Entlassungen kommt, ist noch unklar. Claudia Huber sagt, dass sie alles tun würde, was in ihrer Macht steht, um Schaden von der Belegschaft fernzuhalten. Sie ist sich der Verantwortung ihres Mandates durchaus bewusst. Immer wieder kommt es vor, dass ihre Interessen gegenläufig zu denen der Kapitaleigner stehen, vor allen Dingen wenn es um Personalfragen oder das Management von Fusionsprozessen geht. Das verlangt viel Kraft und persönlichen Einsatz. Ihre Solidarität geht dabei über die deutschen Grenzen hinaus: Der Konzern solle in allen 55 Ländern, in denen er aktiv ist, die Arbeitnehmervertretungen anerkennen, fordert Huber, und eine globale Mitbestimmung zulassen. Und sie kämpft seit Jahren dafür, europaweit Zahlen aus den Betrieben zu erhalten, die mittlerweile auch nach und nach von der Unternehmensleitung zur Verfügung gestellt werden.
Daniel Seemann

ZUR PERSON

Claudia Huber, 43, hat 1993 als Köchin in einer Eurest-Kantine angefangen und wurde Mitglied der NGG. Seit 15 Jahren als Betriebsrätin und seit sechs Jahren als Mitglied im Aufsichtsrat der Catering- und Kantinenfirmen Compass Group Deutschland GmbH und Eurest Deutschland GmbH setzt sie sich für gute Arbeit im Konzern ein und überprüft die Bilanzen.

 

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