zurück
Johanna Wenckebach, die Direktorin des Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht (HSI) Service aktuell

Hans-Böckler-Forum zum Arbeits- und Sozialrecht: "Ein großes Treffen aller, die für Beschäftigtenrechte streiten"

Am 17./18. Februar widmet sich das 13. Hans-Böckler-Forum aktuellen Entwicklungen des Arbeits- und Sozialrechts. Im Interview erklärt HSI-Direktorin Johanna Wenckebach, welche Themen in diesem Jahr ganz oben auf der Agenda stehen.

[04.02.2022]

Das Hans-Böckler-Forum zum Arbeits- und Sozialrecht widmet sich aktuellen Rechtsentwicklungen vor dem Hintergrund großer anstehender Veränderungen der Arbeitswelt. Was hat sich auf diesem Feld mit dem Regierungswechsel verändert?

Joahanna Wenckebach: Es gibt zahlreiche sehr konkrete Vorhaben im Koalitionsvertrag, die das Arbeits- und Sozialrecht betreffen. Wir freuen uns sehr, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf unserem Forum einen Überblick geben wird. Einige Vorhaben sind bereits in der Umsetzung und aus der Sicht von Arbeitnehmer*innen sehr positiv, wie z. B. der Mindestlohn, Verbesserungen bei der Freistellung von Vätern nach der Geburt oder das Vorhaben, die Behinderung von Mitbestimmung und Betriebsratswahlen effektiver strafrechtlich zu sanktionieren. Die neue Bundesregierung hat das erklärte Ziel, die in der Arbeitswelt anstehenden Transformationsprozesse sozial gerecht zu gestalten. Aber da muss eben bei vielen Themen „Butter bei die Fische“ und es ist nicht schon aus dem Koalitionsvertrag ersichtlich, ob wirklich gut wird, was angekündigt ist. Manches fehlt auch gänzlich. All dies werden wir im Detail diskutieren und dabei auch sehr konkrete Vorschläge zu einer Weiterentwicklung des Rechts vorstellen.

Einen der Schwerpunkte des diesjährigen Forums bildet das Thema Digitalisierung. Welche rechtlichen Entwicklungen geben dafür Anlass?

Anlass sind vor allem technische Entwicklungen, die eine rasante Veränderung der Arbeitswelt bewirken. Das Recht ist diesen Entwicklungen eher hinterher. Und weil Arbeits- und Sozialrecht den Interessen arbeitender Menschen dienen, dem Schutz ihrer Rechte, ist es ein Problem, wenn technische Entwicklungen rechtsfreie Räume schaffen oder Unklarheiten bei der Anwendung des geltenden Rechts. Beispiele sind der Einsatz künstlicher Intelligenz, also etwa algorithmisches Management oder die Sammlung riesiger Datenmengen und neue digitale Kontrollmöglichkeiten. Oder die Frage, ob die neuen plattformbasierten Dienstleister Arbeitnehmer*innen sind. Bei Legal Tech geht es wiederum um die Frage, wie sich die Arbeit von Jurist*innen selbst durch technischen Fortschritt verändert. Für den gewerkschaftlichen Rechtsschutz ist das äußerst relevant. Zu diesen Fragen gibt es wissenschaftliche Expertise, erste Grundsatzurteile aber auch konkrete gesetzgeberische Vorhaben sowohl der Bundesregierung als auch der EU. Das wollen wir bewerten und weiterentwickeln.

Anlass für einen Schwerpunkt Digitalisierung beim diesjährigen Forum sind technische Entwicklungen, die eine rasante Veränderung der Arbeitswelt bewirken. Das Recht ist diesen Entwicklungen eher hinterher, was ein Problem darstellt.

Du hast bereits die Mitbestimmung angesprochen: Steht aktuell eine Kehrtwende in der Gesetzgebung an, die eine Stärkung der Mitbestimmung bewirken könnte? Und was bedeutet dies für Arbeitnehmervertreter*innen?

Wir werden in der Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit dem DGB dem Thema Mitbestimmung eine eigene Veranstaltung widmen, denn wir wollen das Signal ganz deutlich aussenden: In Sachen Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen muss sich dringend etwas tun, wenn die Transformation – ökologischer Wandel, Digitalisierung und Globalisierung – sozial gerecht und demokratisch sein soll. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz war nur ein erster Schritt, an den anzuknüpfen ist. Betriebsräte und Gewerkschaften müssen das Handwerkszeug erhalten, um in den Betrieben den Wandel gestalten zu können. Bei jedem der Themen, die wir diskutieren, spielt Mitbestimmung eine Rolle – denn sie macht Beschäftigtenrechte effektiv. Und natürlich werden wir auch dem konkreten Bedarf zur Weiterentwicklung der betrieblichen Mitbestimmung angesichts der Herausforderungen unserer Zeit ein Forum geben.

Auch sehr spezifische Fragestellungen, z.B. zum Whistleblowing oder dem dualen Studium, stehen auf dem Programm. Welche Themen erwarten uns im Rahmen des Forums, die im öffentlichen Diskurs manchmal etwas übersehen werden?

Wir werden unter anderem das europäische Arbeits- und Sozialrecht in den Blick nehmen. Gerade für die großen Herausforderungen unserer Zeit sind länderübergreifende Regeln wichtig. Und in Brüssel werden sehr wichtige Themen vorangebracht: transparente Arbeitsbedingungen, Mindestlohn, künstliche Intelligenz, Plattformarbeit und Elternzeit zum Beispiel. Das muss stärker in den Fokus genommen und zum deutschen Recht ins Verhältnis gesetzt werden. Und wir haben tatsächlich ein paar Themen für Feinschmecker. In meinem Forum zum Beispiel wollen wir Tarifvertragsrecht diskutieren. Da werden sich Tarifexpertinnen und Juristen darüber unterhalten, unter welchen Umständen Vorteile für Gewerkschaftsmitglieder geregelt werden können oder wie Tarifbindung für Soloselbstständige gehen kann. Wir geben mit zwei Foren auch dem Sozialrecht die große Bühne, die es wegen seiner gesellschaftlichen Bedeutung verdient, aber zu selten bekommt.

Als Direktorin des HSI stehst du tagtäglich im Austausch mit anderen Expert*innen des Arbeitsrechts. Auf was aber freust du dich im Rahmen des  Forums ganz besonders?

Wir bringen Expert*innen aus der Praxis und Wissenschaftler*innen zusammen. Übrigens nicht nur Jurist*innen! Diese unterschiedlichen Perspektiven bringen rechtspolitische Debatten immer immens weiter, finde ich. Und ja: für mich ist das Forum – übrigens schon seit ich Stipendiatin der Stiftung war – auch wie ein großes Treffen all derjenigen, die für Arbeitnehmer*innenrechte streiten, an ihrer Umsetzung in der Praxis und ihrer Weiterentwicklung arbeiten. Natürlich hatte ich mir von Herzen gewünscht, möglichst viele dieser tollen Kolleg*innen endlich wieder zu treffen, von ihnen zu lernen. Netzwerken ist nicht nur schön, sondern auch so wichtig und gewinnbringend für unsere Arbeit. Das wird nun leider nicht in Präsenz möglich sein. Wir haben aber für die gemeinsamen Pausen ein Online-Tool gefunden, so dass ich hoffe, wir können neben den inhaltlichen Debatten ebenso den  persönlichen Austausch ermöglichen, der unser Forum auch ausmacht. Alle im HSI haben sich zusammen mit dem Veranstaltungsteam der Stiftung mächtig ins Zeug gelegt und freuen sich sehr!

Johanna Wenckebach ist Wissenschaftliche Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Anmeldung zum 13. Hans-Böckler-Forum für Arbeits- und Sozialrecht

Das 13. Hans-Böckler-Forum wird nach derzeitigem Stand in hybrid mit einer begrenzten Anzahl an Präsenzteilnehmenden stattfinden. Sowohl die Plenumsvorträge als auch die einzelnen Foren werden übertragen. Einladung, Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie auf der Veranstaltungsseite. 

Weitere Informationen

Podcast Systemrelevant mit Johanna Wenckebach Wenckebach: "Wie gut reguliert die EU die Plattformarbeit?"

Aktueller HSI-Report zum Europäischen Arbeits- und Sozialrecht (Oktober - Dezember 2021)
 

 

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen