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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Vermögende: Krisenverluste wettgemacht

Ausgabe 17/2010

Arbeits- und Kapitaleinkommen driften weiter auseinander. Die Wirtschaftskrise hat Finanzanlagen und Unternehmensgewinnen zwar einen vorübergehenden Dämpfer versetzt, doch den Vermögenden geht es im Schnitt schon wieder so gut wie vor der Krise.

2009 lag der weltweite Reichtum nach einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting wieder über dem Niveau vor Ausbruch der Wirtschaftskrise. Eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Der absolute Vorsprung der oberen zur mittleren Einkommensgruppe sei von 2008 auf 2009 spürbar gestiegen. Die These, vor allem die Vermögenden seien die Verlierer der Krise, müsse deshalb verworfen werden, schreiben die IMK-Forscher Gustav Horn und Ulrike Stein in einer Analyse. Die Wissenschaftler zeigen anhand verschiedener ökonomischer Indikatoren, wie der Anteil der Arbeitnehmereinkommen am Sozialprodukt in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist - und dass sich der krisenbedingte Einbruch der Unternehmensgewinne kaum als Ausgangspunkt einer Trendumkehr erweisen dürfte.

Im Jahr 2003 begann die Gewinnquote signifikant zu steigen. Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen, der bis dahin bei rund 70 Prozent lag, ging um mehrere Prozentpunkte zurück. Lediglich 2009 stieg die Lohnquote kurz an, ist seither aber wieder unter 66 Prozent gefallen.

Die Arbeitsentgelte je Arbeitnehmer und das gesamte, auch die Gewinne enthaltende Volkseinkommen pro Erwerbstätigem entwickelten sich bis 2003 ähnlich. Bis 2008 stiegen die Arbeitnehmerentgelte aber nur noch halb so schnell wie das Volkseinkommen. Nach einem Einbruch im Jahr 2009 wächst das Volkseinkommen je Erwerbstätigem in diesem Jahr aber bereits wieder schneller als die Arbeitnehmerentgelte. Dies zeige, dass "die scheinbare Trendwende nichts anderes war als ein kurzfristiges Phänomen", so die IMK-Forscher.

Das Zurückbleiben der Arbeitseinkommen erklären die Wissenschaftler damit, dass die Lohnerhöhungen der vergangenen Jahre nie den Verteilungsspielraum ausschöpften - das Jahr 2009 war die einzige Ausnahme seit 1995. Horn und Stein sprechen von einer "offensichtlich starken Umverteilung", die in den 1990er-Jahren schleichend begonnen habe.

Mit der Entwicklung der Arbeitnehmerentgelte, die sämtliche Sozialabgaben der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfassen, ist das Ausmaß aber noch nicht vollständig beschrieben. Hinzu kommt noch das Auseinanderdriften der Brutto- und Nettolöhne: Die Nettolöhne haben sich noch schwächer entwickelt als die Arbeitnehmerentgelte, weil Lohnsteuer und Sozialbeiträge zugenommen haben - insbesondere die Beiträge der Arbeitnehmer. Diese sind seit 2003 um 27 Prozent gestiegen, die der Arbeitgeber hingegen nur um 5 Prozent. Der entscheidende Grund dafür ist, dass "die Beitragsparität der Sozialversicherungssysteme seit 2001 langsam, aber stetig ausgehöhlt wurde", so das IMK.

In der Kranken- und Pflegeversicherung wurden Beitragskomponenten eingeführt, die nur die Arbeitnehmer bezahlen. Zudem wurden Leistungen ausgegliedert, die Versicherte nun aus ihrem verbleibenden Nettoeinkommen bestreiten müssen, etwa für die Praxisgebühr und höhere Medikamentenzuzahlungen. Mit Einführung der allein von den Beschäftigten zu tragenden Riester-Rente wurde auch die paritätische Finanzierung der Rente aufgehoben, schreiben die Forscher.

"Die schon vor der Krise bestehende Tendenz, dass niedrige und mittlere Einkommen sowie der Faktor Arbeit insgesamt weiter verlieren" setze sich fort, resümieren Horn und Stein. Auch die aktuellen Sparpläne der Bundesregierung gingen in diese Richtung. Erst auf lange Sicht rechnet das IMK mit einer Trendumkehr bei der Einkommensverteilung: Wenn die demografische Entwicklung zu einer verstärkten Konkurrenz um Arbeitskräfte führe, dürfte sich die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer verbessern - und die Lohnquote wieder steigen.

  • Reformen der Sozialversicherungssysteme gingen in den vergangenen Jahren vor allem zulasten der Beschäftigten. Zur Grafik
  • Arbeitnehmer profitieren seit 2003 nur noch unterproportional vom Wachstum des Sozialprodukts. Zur Grafik

Gustav Horn, Ulrike Stein: Kapital gewinnt - Arbeit verliert, in: Wirtschaftsdienst, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Heft 7/2010

 

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