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HBS Böckler Impuls

USA: Schulden machen, um mitzuhalten

Ausgabe 17/2012

Wachsende Ungleichheit in den USA ist eine der Wurzeln der Finanzkrise. Erst wenn der Abstand zwischen Arm und Reich sich wieder verringert, kann die Wirtschaft sich nachhaltig erholen.

Seit den frühen 1980er-Jahren hat die breite Masse der US-Bürger ihr Leben zunehmend auf Pump finanziert, um ihren Lebensstandard halten zu können. Lediglich die Einkünfte der Wohlhabenden wuchsen rasant. Die Regierung erleichterte den unteren Einkommensschichten die Verschuldung – bis zum Platzen der Immobilienblase 2007. Jetzt setzt sich bei vielen Ökonomen die Erkenntnis durch: Langfristig ist die immense Kluft zwischen großen und kleinen Einkommen schädlich für das Wachstum der Vereinigten Staaten.

Dies zeigt eine Literaturstudie von IMK-Forscher Till van Treeck und Simon Sturn von der University of Massachusetts in Amherst. Sie haben den aktuellen Stand der Wissenschaft umfassend ausgewertet. Die zunehmende Ungleichheit sei auch dem Rückbau von Institutionen geschuldet, die das Land nach der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern und nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt habe, halten die Wissenschaftler fest: progressive Steuern, Systeme für Gesundheits- und Altersvorsorge, starke Gewerkschaften.

Empirische Studien zeigten, dass der durchschnittliche US-Haushalt alle Register zog, damit sein Stück vom Kuchen nicht immer kleiner wurde: In den 1980ern gingen immer mehr Frauen einer Erwerbstätigkeit nach. Bis zur Jahrtausendwende weiteten viele Beschäftigte auch ihre Arbeitszeit immer weiter aus.

Parallel dazu sank die Sparquote der US-Amerikaner dramatisch; ihre Verschuldung stieg. Auch hier kann eine Reihe von Studien belegen, dass die sich immer stärker öffnende Schere zwischen Arm und Reich der Auslöser war. Denn gerade in einem Land mit schwacher öffentlicher Infrastruktur orientieren sich die Konsumnormen besonders stark an den Ausgaben der Haushalte mit hohen Einkommen. So konnten viele Bürger die für nötig erachteten Ausgaben – etwa für das Wohnen in einem Viertel mit guten Schulen – nur über Kredite finanzieren. Mit vergleichsweise schlecht bezahlten Jobs und steigenden Gesundheitskosten hatten sie jedoch zunehmend Probleme, ihre Schulden zurückzuzahlen.

Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise ist die politische Diskussion in den USA nicht abgeschlossen, fassen Sturn und van Treeck zusammen. „Wir als Gesellschaft müssen entscheiden, ob dieser Anstieg der Einkommensungleichheit effizient und akzeptabel ist“, zitieren sie den Berkeley-Professor Emmanuel Saez. „Falls nicht, müssen wir entscheiden, wie wir unsere Institutionen und Steuern reformieren wollen, um etwas dagegen zu tun.“

  • Seit den frühen 1980ern hat die breite Masse der US-Bürger ihr Leben zunehmend auf Pump finanziert, um ihren Lebensstandard halten zu können. Lediglich die Einkünfte der Wohlhabenden wuchsen rasant. Zur Grafik

Till van Treeck, Simon Sturn: Income inequality as a cause of the Great Recession? A survey of current debates (pdf), International Labour Office, Genf, 16. August 2012

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