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HBS Böckler Impuls

Wirtschaftsförderung Ost: Nicht fördern wird teuer

Ausgabe 17/2005

Die anhaltende Arbeitslosigkeit hat die Förderpolitik unter Druck gebracht. Zudem steht künftig weniger Geld bereit. Aber: Nicht fördern kommt die Gesellschaft dauerhaft am teuersten zu stehen.

"Die Industrie ist modernisiert, die Produktivität zeigt gewaltige Sprünge, die Innovationskraft befindet sich auf hohem kreativen Niveau
und die Forschungslandschaft kann auf die entwickelten Zentren verweisen." Anja Jakszentis und Ulrich Hilpert von der Uni Jena lassen keinen Zweifel an den Aufbauleistungen: Die ostdeutschen Länder haben nur noch wenig mit den Hinterlassenschaften der DDR gemein. Doch die Erfolge können das entscheidende Problem nicht kaschieren: die hohe Arbeitslosigkeit.

Die Förderpolitik sucht neue Wege. Die westlichen Geberländer sind inzwischen selbst in Finanznöte geraten, wegen der Osterweiterung sinken ab 2007 zudem auch die EU-Mittel. In den 90er-Jahren floss die Hilfe fast ausschließlich aus dem Topf der "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW), dem zentralen Instrument der deutschen Strukturpolitik. Die GRW fördert Investitionen in öffentliche Infrastruktur und solche privater Betriebe, die Arbeitsplätze schaffen. Mittlerweile flankieren weitere Projekte die GRW, bei denen gezielt Netzwerke von Forschung und Industrie Hilfe bekommen. Die Absicht: Mit vergleichsweise wenig Geld dauerhafte Kooperationen anzustoßen.

Strittig ist, wer in Zukunft von den Transfers profitieren soll. Ökonomen diskutieren Vorschläge, die knapper werdenden Ressourcen auf die Wachstumskerne zu konzentrieren. Astrid Ziegler, WSI-Expertin und Autorin einer Studie zur Rolle der Förderpolitik beim Aufbau Ost, hält das nicht für sinnvoll: "Das kann dazu führen, dass die schwachen Regionen komplett den Anschluss verpassen." Laut Ziegler gibt es zwar starke Wirtschaftsstandorte in Ostdeutschland. Doch bislang verfügt noch keiner über genügend Ausstrahlung, um seinem Umland oder gar anderen Regionen dauerhaft Impulse zu verleihen. Schon jetzt klaffen große Abstände zwischen den ostdeutschen Regionen, die sich dann nochmals vergrößern würden.

Wichtiger sei, die Mittel passgenau einzusetzen - also die Stärken einer Region zu definieren und diese gezielt zu unterstützen. "Selbst in vielen schwachen Gegenden gibt es gute Unternehmen", erklärt Ziegler. "Diese zarten Pflänzchen brauchen weiter Hilfe." Die Forscherin warnt davor, Landstriche sich selbst zu überlassen. Wenn der Staat Regionen vernachlässigt, kehren ihnen noch mehr Menschen den Rücken zu. Das dürfte auf lange Sicht die teuerste Variante sein, weil die Gebiete in der Folge erst recht darauf angewiesen sind, alimentiert zu werden.

  • In Ostdeutschland gibt es echte Problemzonen. Aber wo Standorte stark sind, beruht ihre Stärke gerade nicht auf den niedrigen Lohnkosten. Eine Studie zeigt, welche Erfolgsfaktoren hier eine Rolle spielen. Zur Grafik

Anja Jakszentis, Prof. Dr. Ulrich Hilpert: Regionale Entwicklungsunterschiede in Ostdeutschland im Vergleich.

Dr. Astrid Ziegler: Aufbau Ost und die Rolle der Förderpolitik; Arbeitspapiere der Otto-Brenner-Stiftung, 2005.

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