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Keine Anzeichen für Preis-Lohn-Spirale Böckler Impuls

Arbeitskosten: Keine Anzeichen für Preis-Lohn-Spirale

Ausgabe 12/2022

Die Löhne haben sich im vergangenen Jahr stabilitätskonform entwickelt – trotz der im zweiten Halbjahr deutlich anziehenden Inflation.

Durch Kurzarbeit und staatliche Unterstützungszahlungen ist es gelungen, zahlreiche Unternehmen und mehrere Millionen Arbeitsplätze in der Corona-Pandemie zu retten. Gleichzeitig haben sich die Arbeits- und vor allem die Lohnstückkosten der deutschen Privatwirtschaft über die gesamte Krise hinweg „absolut stabilitätskompatibel“ entwickelt. Das zeigt der jüngste Arbeitskostenreport des IMK. Es gebe bislang keine Anzeichen für eine Preis-Lohn-Spirale – trotz der schon im zweiten Halbjahr 2021 deutlich anziehenden Inflation, schreiben die Forschenden. 

Im Jahresdurchschnitt 2021 sind die Arbeitskosten in Deutschland lediglich um 1,2 Prozent gestiegen und damit noch schwächer als 2020, als der Zuwachs mit 2,2 Prozent bereits recht moderat ausfiel. Der Anstieg war etwas niedriger als der EU-Durchschnitt von 1,5 Prozent und nur geringfügig höher als das Mittel des Euroraums von 1,0 Prozent. Damit rangiert die Bundesrepublik bei den Arbeitskosten für die private Wirtschaft weiterhin im oberen Mittelfeld Westeuropas, wie im Vorjahr auf Position sieben im EU-Vergleich. 

Stärker als die Arbeitskosten waren die Lohnstückkosten von der Pandemie betroffen. Das sei gerade eine – schon aus früheren Krisen bekannte – Folge der erfolgreichen Beschäftigungssicherung, erläutern Alexander Herzog-Stein, Friederike Kotthaus und Ulrike Stein vom IMK. Denn trotz durch Kurzarbeit reduzierter Arbeitszeit steigen die Arbeitskosten im Verhältnis zum Gesamtwert der hergestellten Güter, wenn die Produktion krisenbedingt einbricht. Dieser Effekt habe sich mit der relativen Entspannung im zweiten Corona-Jahr aber bereits wieder umgekehrt, sodass die deutschen Lohnstückkosten im Jahresdurchschnitt 2021 lediglich um 0,8 Prozent gestiegen sind, nach 3,4 Prozent 2020. 

„Deutschland und Europa sind seit zweieinhalb Jahren mit außergewöhnlich heftigen gesellschaftlichen und außenwirtschaftlichen Schocks konfrontiert. Erst die Pandemie, aktuell der russische Angriffskrieg in der Ukraine – und aus beiden Schocks folgend eine Inflation, wie wir sie seit den 1980er-Jahren nicht mehr erlebt haben“, so das IMK. Umso bemerkenswerter sei, dass „die meisten europäischen Länder und insbesondere Deutschland bislang binnenwirtschaftlich recht stabil und außenwirtschaftlich sehr wettbewerbsfähig durch die vergangenen Jahre gekommen sind“. Hier zeige sich, wie stabilitätsfördernd das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft sei.

Die von manchen beschworene Preis-Lohn-Spirale sei bislang kein Thema. Wesentliche Teile der deutschen Wirtschaft hätten im Gegenteil weiterhin Reserven, „wie man an den sehr hohen Gewinnen vieler Großunternehmen sieht“. Trotz der großen Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine rät Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK, zu mehr Gelassenheit: „Stabilitätskonform ist ein gesamtwirtschaftliches Lohnwachstum im Rahmen der Zielinflationsrate der EZB von zwei Prozent plus dem Produktivitätswachstum, das im Trend bei einem Prozent liegt. Bei der Bewertung des Lohnwachstums 2022 und 2023 muss zudem mit einbezogen werden, dass die Lohnkosten 2020 und 2021 langsam gestiegen sind. Selbst wenn wir im Jahr 2022 mit dem Lohnkostenanstieg im Durchschnitt aller Branchen etwas über 3 Prozent lägen, wäre das noch keine echte Preis-Lohn-Spirale, sondern lediglich eine Korrektur der schwachen Vorjahre.“

Eine Lohnentwicklung, die sicherstellt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am gesellschaftlichen Wohlstandsfortschritt partizipieren, sei auch in Zeiten des Wandels unerlässlich. Die Kaufkraftverluste durch Preissteigerungen auszugleichen, könne aber nicht allein der Lohnpolitik überlassen bleiben, betont Dullien. „Hier wird die Wirtschaftspolitik als Ganzes gefragt sein.“ Etwa mit weiteren direkten Entlastungszahlungen an Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen. „Das nimmt dann auch Druck aus den Tarifverhandlungen und reduziert das Risiko, dass doch noch Preis-Lohn-Spiralen in Gang kommen.“

Alexander Herzog-Stein, Friederike Kotthaus, Ulrike Stein: Arbeits- und Lohnstückkostenentwicklung 2021: Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie, IMK Report Nr. 176, Juni 2022

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