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HBS Böckler Impuls

Staatseinnahmen: Kein Raum für Steuergeschenke

Ausgabe 17/2012

Die Steuereinnahmen legen in diesem Jahr kräftig zu. Doch 2013 dürfte die schwächere Konjunktur den Anstieg bremsen. Für Steuersenkungen besteht kein Spielraum - und auch keine Notwendigkeit, so das IMK.

606 Milliarden Euro – so viel werden Bund, Länder und Gemeinden nach der neuen IMK-Steuerschätzung in diesem Jahr einnehmen. Es sind 32,7 Milliarden Euro mehr als 2011; der Betrag liegt auch spürbar höher, als Experten noch im Frühjahr prognostiziert hatten. 2013 steigen die Steuereinnahmen nach den Berechnungen weiter. Doch trotz der Zuwächse sehen Katja Rietzler, Achim Truger und Dieter Teichmann keinerlei Grund für Euphorie. Die Forscherin am IMK, der Wirtschaftsprofessor und der Steuerfachmann aus Berlin diagnostizieren in ihrer Steuerschätzung eine strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Hand. Die während der Finanz- und Wirtschaftskrise eingeführten Steuersenkungen schmälerten nach wie vor die Staatseinnahmen. Dies werde verschärft durch die absehbare wirtschaftliche Abkühlung, die in den kommenden Jahren die Entwicklung der Steuereinnahmen bremsen dürfte.

„Die vermeintlich fetten Jahre sind vorbei, kaum dass sie begonnen haben. Deshalb gibt es keinen Spielraum für weitere Steuererleichterungen“, lautet das Fazit der Forscher, die ihre Schätzung auf die aktuelle IMK-Konjunkturprognose stützen. Sie sehen aber auch gar keine Dringlichkeit, die Steuern erneut zu senken. Die Wissenschaftler warnen Befürworter von niedrigeren Abgaben vor „gravierenden Fehleinschätzungen“: Einerseits würden die Einnahmezuwächse wegen der zuletzt günstigen Entwicklung überschätzt, ebenso wie die Wirkungen der oft beklagten „kalten Progression“. Andererseits blende die Forderung nach Steuersenkungen Risiken aus, die eine Konjunkturabschwächung in Zeiten der Schuldenbremse bedeute.

Immer noch Spuren der Krise. Zwar sind seit Mai 2010 die Steuerschätzungen im Halbjahresabstand immer wieder nach oben revidiert worden, erklären die Wissenschaftler. Es sei aber falsch, deshalb anzunehmen, die öffentliche Einnahmesituation sei derzeit komfortabel. Wer diesen Schluss ziehe, vernachlässige, dass die Steuerschätzung vom Frühjahr 2010 unter dem Eindruck des Konjunkturschocks von 2009 „die pessimistischste Prognose der vergangenen Jahre gewesen ist“. Zwar habe die rasche Erholung von Wirtschaft und Steuereinnahmen alle Experten überrascht. Der Vergleich zur letzten Vorkrisen-Prognose vom Frühjahr 2008 mache aber deutlich, „wie stark die Steuereinnahmen durch die Krise in Mitleidenschaft gezogen wurden“ – bis heute. So liegt die neue IMK-Schätzung für 2012 trotz aller Aufwärtsrevisionen noch um rund 39 Milliarden Euro niedriger als die Prognose vom Mai 2008.

Ausgleich der „kalten Progression“ nicht notwendig. Die Forscher plädieren dafür, das Problem der „kalten Progression“ grundsätzlich ernst zu nehmen. Es gebe gute Argumente dafür, den Einkommensteuertarif bei Bedarf an die Inflation anzupassen. Aktuell sei das aber nicht notwendig, da die Steuersätze seit 1998 in mehreren Schritten deutlich gesenkt wurden. Die Entlastung hat die Belastung durch „kalte Progression“ in diesem Zeitraum bei weitem überkompensiert, machen die Berechnungen der Wissenschaftler deutlich.

Schuldenbremse lässt wenig Spielraum. Angesichts dieser Befunde sei der von der Bundesregierung geplante Abbau der „kalten Progression“ auf absehbare Zeit unnötig, schreiben die Forscher. Potenziell gefährlich wirkten Steuersenkungen derzeit, weil sie die öffentlichen Haushalte schnell in Konflikt mit der Schuldenbremse bringen können. Aus heutiger Sicht bestehe zur Verschuldungsgrenze beim Bund zwar ein finanzieller „Sicherheitsabstand“. Da die im Grundgesetz verankerte Schuldenregel aber stark prozyklisch wirke, könne dieser Puffer sehr schnell verloren gehen, wenn Deutschland in den nächsten Jahren eine längere wirtschaftliche Stagnation oder gar eine tiefe Rezession erleben sollte.

Statt Steuersenkungen empfehlen Rietzler, Teichmann und Truger deshalb eher gezielte Erhöhungen von Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen. Nur so könnten in Zeiten der Schuldenbremse die Handlungsfähigkeit des Staates gesichert und Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und ökologische Infrastruktur finanziert werden.

  • Die Steuereinnahmen wachsen 2012 kräftig. Trotzdem sind bei den Staatseinnahmen die Finanzkrise immer noch deutliche Spuren der Finanz- und Wirtschaftskrise zu erkennen. Das zeigt der Vergleich zwischen der IMK-Steuerschätzung 2012 und der Steuerschätzung von Mai 2008. Zur Grafik

Katja Rietzler, Dieter Teichmann, Achim Truger: IMK-Steuerschätzung 2012–2016 – Kein Platz für Steuergeschenke (pdf), IMK Report Nr. 76, Oktober 2012

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