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HBS Böckler Impuls

Forschung und Entwicklung: Innovationen gehen von Deutschland aus

Ausgabe 13/2019

Schadet es dem Standort Deutschland, wenn deutsche Firmen im Ausland forschen? Nein, meistens geht es darum, das in der Heimat entwickelte Wissen zu ergänzen.

Jede vierte Erfindung machen große deutsche Unternehmen in ihren Forschungslaboren im Ausland. Drei Viertel der deutschen Unternehmensforschung im Ausland konzentrieren sich auf Technologien, in denen die Firmen auch in Deutschland besonders stark sind. Entscheidend für die Innovationskraft der weltweit tätigen deutschen Unternehmen bleibt meist der Standort Deutschland. Allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme: Forschung zu Computertechnik, Datenverarbeitung und Kommunikationstechnik betreiben deutsche Konzerne offensichtlich oft gezielt in Ländern, die auf diesen Gebieten versierter sind als Deutschland. Zu diesen Ergebnissen kommen Forscher des DIW Berlin in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. 

Deutsche Unternehmen haben im Jahr 2015 weltweit knapp 69 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Die Ausgaben lagen fast doppelt so hoch wie im Jahr 2003. In Forschungsaktivitäten im Ausland flossen rund 35 Prozent aller Aufwendungen.

Genauer unter die Lupe genommen haben die Wissenschaftler die Aktivitäten der 104 forschungsstärksten deutschen Unternehmen anhand der zwischen 2012 und 2014 angemeldeten Patente. Die meisten Patente entfielen auf den Fahrzeugbau mit fast 30 Prozent, gefolgt vom Maschinenbau mit 18 Prozent, dem Bereich Datenverarbeitung, Elektronik und Optik mit 12 Prozent sowie der Chemieindustrie mit 10 Prozent. Die Hälfte aller Patentanmeldungen stammte von nur sechs Großunternehmen: Bosch, Siemens, Infineon, Volkswagen, Continental und BASF.

Während in der Automobilindustrie nur jede fünfte Erfindung im Ausland getätigt wurde, waren es im Maschinenbau und der Chemieindustrie mit rund 30 Prozent deutlich mehr. Im Schnitt lag der Auslandsanteil bei den Erfindungen der 104 Unternehmen im Untersuchungszeitraum bei 27 Prozent – und damit nur geringfügig unter dem Anteil an den Ausgaben, die für Forschung und Entwicklung im Ausland getätigt wurden. „Im Ausland wird also kaum weniger Forschung durchgeführt, die zu Patenten führt, als in der Heimat“, erklären die Forscher. „Originalität und Qualität der Unternehmensforschung im Ausland dürften kaum geringer sein als in Deutschland.“ 

Die ausgewerteten Patentdaten ließen außerdem darauf schließen, in welchen Bereichen die Unternehmen forschen und welche Motive dahinter stecken: Konzentrieren sich die Firmen im Ausland besonders auf Technologien, in denen die jeweiligen Länder einen Vorsprung gegenüber Deutschland haben? Dies wäre ein Anhaltspunkt dafür, dass deutsche Unternehmen vor allem neues technologisches Wissen suchen, das ihnen im Heimatland nicht zur Verfügung steht. Oder forschen sie in Bereichen, auf die die Zielländer nicht spezialisiert sind, in denen diese also keinen besonderen Vorteil bieten? In dem Fall dürfte das Ziel sein, das in Deutschland entwickelte Wissen für andere Märkte anzupassen. Das ist zum Beispiel dann nötig, wenn ein Produkt aus Deutschland auf spezifische Anforderungen der Kunden in einem anderen Land abgestimmt werden soll.

Nach Analyse der Patentanmeldungen kommen die DIW-Wissenschaftler zu dem Schluss: Die Forschung deutscher Unternehmen im Ausland geschieht überwiegend aus einer Position der technologischen Stärke im Heimatland heraus. Drei Viertel der Aktivitäten finden in Forschungsfeldern statt, in denen der Standort Deutschland im internationalen Vergleich stark ist. Das gilt besonders für die forschungsintensiven Branchen Maschinenbau, Chemie sowie Mess- und Steuertechnik. Nur 12 Prozent der Patente im Ausland weisen darauf hin, dass ein Unternehmen in Feldern forscht, auf die es in der Heimat nicht spezialisiert ist, das Zielland jedoch über technologische Stärke verfügt. Allerdings kommt diese am ehesten in Bereichen vor, deren Bedeutung im Zuge der Digitalisierung steigt, etwa in der Computertechnik, der Datenverarbeitung und der digitalen Kommunikation. 

„Der Forschungsstandort Deutschland verliert durch die internationalen Aktivitäten nicht an technologischer Stärke“, lautet das Fazit der Wissenschaftler. In den meisten Fällen gehe es nicht darum, Forschung aus Deutschland abzuziehen, sondern das in Deutschland gewonnene Wissen zu erweitern.

  • Die Ausgaben deutscher Unternehmen für Forschung und Entwicklung haben sich seit 2003 fast verdoppelt. Zur Grafik

Heike Belitz u.a.: Forschung deutscher Unternehmen im In- und Ausland, Working Paper der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 156, September 2019 

Heike Belitz u.a.: Deutsche Unternehmen konzentrieren ihre Forschung im Ausland auf die gleichen Technologien wie in der Heimat, DIW-Wochenbericht Nr. 36, September 2019 bit.do/impuls1587

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