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Homeoffice: Auf den Rahmen kommt es an Böckler Impuls

Mobile Arbeit: Homeoffice: Auf den Rahmen kommt es an

Ausgabe 08/2021

In der Coronakrise zeigt sich, unter welchen Bedingungen Arbeit von daheim zum Erfolgsmodell werden kann.

24 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland haben im Januar 2021 ausschließlich von zu Hause aus gearbeitet. Vor der Coronakrise taten dies nur 4 Prozent. Das zeigt die Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung, die Forscherinnen des WSI und des I.M.U. ausgewertet haben. Ihre Analyse liefert Antworten auf eine Reihe von Fragen: Wer arbeitet in Zeiten der Pandemie im Homeoffice? Wie zufrieden sind die Beschäftigten damit? Welches sind die Vorteile und was die Probleme? Daraus lässt sich ein Katalog mit den Kriterien ableiten, die auch jenseits der Corona-Ausnahmesituation erfüllt sein müssen.

Die Untersuchung beruht auf den Angaben von über 4600 abhängig Beschäftigten, die im April, Juni und November 2020 sowie im Januar 2021 befragt wurden, ergänzt durch eine Analyse von 67 Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die in Betrieben und Verwaltungen mobile Arbeit regeln.

Wer von zu Hause arbeitet

Homeoffice war vor Corona „ein Arrangement, das einer sehr privilegierten Gruppe von Beschäftigten zuteilwurde“, schreiben die Wissenschaftlerinnen. Das habe sich zwar geändert, aber nach wie vor arbeiten hochqualifizierte Angestellte häufiger im Homeoffice als andere Beschäftigte. Fast 40 Prozent derjenigen, die zu Hause arbeiten, haben einen Hochschulabschluss; der Anteil der Studierten an allen Befragten liegt nur gut halb so hoch. Arbeiter sind kaum im Homeoffice tätig. Generell sind Menschen mit hohen Einkommen überrepräsentiert. Wer daheim arbeitet, hat im Durchschnitt eine größere Wohnung und öfter einen Garten. Frauen sind etwas seltener im Homeoffice als Männer.

Aus naheliegenden Gründen ist Homeoffice im Handel, Gesundheits- oder Sozialwesen wenig verbreitet, während Beschäftigte im Finanzwesen, in Medien oder IT-Berufen häufiger ihre Arbeit daheim erledigen. Zeitweise schwach ausgeprägt war die Heimarbeit im öffentlichen Dienst, wo nach dem April 2020 relativ viele Beschäftigte aus dem Homeoffice in die Betriebe zurückgekehrt sind – was nach Einschätzung der Forscherinnen von WSI und I.M.U. mit fehlender technischer Ausstattung zu tun haben könnte. Zuletzt ist die Homeoffice-Quote hier jedoch wieder gestiegen.

Hohe Zufriedenheit

Menschen, die von zu Hause arbeiten konnten, fanden ihre Arbeitssituation gerade während der Sondersituation in der Corona-Zeit weniger belastend als Beschäftigte, die durchgehend den Betrieb aufsuchten. Fast die Hälfte der Befragten im Homeoffice möchte auch in Zukunft gern von zu Hause arbeiten. Dies deute auf eine „hohe Zufriedenheit und Offenheit gegenüber dem Homeoffice“ hin, so die Forscherinnen.

Dennoch ist beim Homeoffice nach Einschätzung der Betroffenen längst nicht alles Gold. Dass vieles chaotisch gelaufen ist, zeigt sich unter anderem daran, dass 71 Prozent sagen, ihr Arbeitgeber sei auf die Einführung oder Ausweitung von Homeoffice nicht gut vorbereitet gewesen. Viele Beschäftigte finden Heimarbeit auch anstrengender als Arbeit im Büro. Mehr als drei Viertel vermissen den persönlichen Austausch mit den Kollegen, diese Quote ist im Laufe der Pandemie noch etwas gestiegen – Telefon, Mail und Video sind kein hinreichender Ersatz dafür.

Ein weiteres Problem ist das Verschwimmen der Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. 39 Prozent machen im Homeoffice Überstunden, mehr als die Hälfte gibt an, für den Arbeitgeber länger erreichbar zu sein als im normalen Präsenzbetrieb. Besonders Beschäftigten mit jüngeren Kindern macht die Entgrenzung zu schaffen, weil sie oft zusätzlich zur Arbeit im Homeoffice noch Kinderbetreuung leisten müssen. Andererseits ist es gerade diese Gruppe, die Vorteile bei der Vereinbarkeit von Job und Familie sieht. So würden viele Befragte mit Kindern in Zukunft gern weiterhin einen Teil der Arbeit zu Hause erledigen, aber gleichzeitig wieder mehr Stunden im Betrieb verbringen.

Gute Arbeit von zu Hause

Aus den Ergebnissen der Befragung lassen sich Faktoren ableiten, die für gute Arbeitsbedingungen im Homeoffice – auch nach Corona – entscheidend sind. Die wichtigsten Punkte aus Sicht der Forscherinnen:

  • Homeoffice braucht klare Regeln. Am besten auf Basis von Betriebsvereinbarungen, die der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat schließt. Arbeitszeit, Anforderungen an die Erreichbarkeit, technische Ausstattung und vieles mehr können auf diese Weise geregelt und somit Unsicherheit und Stresspotenzial reduziert werden. In mitbestimmten Betrieben berichten Beschäftigte daher überdurchschnittlich häufig über positive Erfahrungen mit dem Homeoffice. Dort tun dies 86 Prozent, im Durchschnitt 77 Prozent.
  • Das Arbeitszeit- und das Arbeitsschutzgesetz gelten auch im Homeoffice. Mehr Freiheit bei der Arbeitszeitgestaltung ja, aber keine ständige Erreichbarkeit. Höchstarbeitzeiten und Ruhepausen müssen auch bei mobiler Arbeit eingehalten werden. Insbesondere die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen muss auch im Homeoffice „ausnahmslos gelten“, so die Forscherinnen.
  • Arbeit im Homeoffice sollte freiwillig sein. Beschäftigte sollten, jedenfalls nach der Pandemie, selbst entscheiden können, ob und wann sie einen Teil ihrer Aufgaben zu Hause erledigen.
  • Am besten funktionieren Homeoffice und Präsenz im Betrieb in Kombination. Hilfreich wären festgelegte Tage, beispielsweise zwei Tage pro Woche zu Hause und drei Tage im Betrieb. Präsenzarbeitsplätze dürfen daher nicht verschwinden.
  • Für mobile Arbeit sind klare Beurteilungskriterien von hoher Bedeutung. Einen wirklichen Vorteil in Sachen Work-Life-Balance haben Beschäftigte nur, wenn sie auch im Homeoffice sicher einschätzen können, welche Erwartungen an sie gerichtet sind und ob ihre Arbeitsleistung den Anforderungen genügt. Dazu sollten „konkrete, erreichbare und messbare Arbeitsziele“ festgelegt werden, die sich an einer geeigneten Arbeitsaufgabe oder Tätigkeit orientieren.
  • Auch im Homeoffice ist Unterstützung durch Vorgesetzte entscheidend. Dazu sind etwa Schulungen des Führungspersonals im Umgang mit mobiler Arbeit hilfreich. Beschäftigte sollten sich auch daheim nicht alleingelassen fühlen. Damit Vorgesetzte dies leisten können, sind Schulungen zum Thema „Führen auf Distanz“ sinnvoll und notwendig.
  • Eine fortlaufende Qualifizierung der Beschäftigten darf auch im Homeoffice nicht unter den Tisch fallen. Insbesondere ist hier an ältere Beschäftigte zu denken, die sich mit der plötzlichen Umstellung auf digitale Arbeits- und Kommunikationstechniken noch schwertun. Zudem sollte bei Weiterbildungen gutes mobiles Arbeiten eine größer Rolle spielen, zum Beispiel das Verhindern von entgrenztem Arbeiten.
  • Homeoffice ist kein Ersatz für institutionelle Kinderbetreuung. Die Doppelbelastung aus Homeschooling und Homeoffice hat in vielen Familien, besonders bei Müttern, zu starkem Stress geführt. Ein Ausbau der Homeoffice-Möglichkeiten dürfe daher, so die Forscherinnen, nicht dazu führen, dass Kinderbetreuungsplätze eingespart werden. Vielmehr zeigen die Auswertungen, dass die Überlastungssituation im Homeoffice auch mit der fehlenden Kinderbetreuung zusammenhängt.

Elke Ahlers, Sandra Mierich, Aline Zucco: Homeoffice in Zeiten von Corona, WSI-Report Nr. 65, April 2021

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