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Dekorativ: Höherer Bundeszuschuss sinnvoll Böckler Impuls

Gesetzliche Krankenversicherung: Höherer Bundeszuschuss sinnvoll

Ausgabe 19/2025

Von den Ausgaben der Krankenkassen entfallen rund 18 Prozent auf versicherungsfremde ­Leistungen. Die sind in der solidarischen Versicherung richtig angesiedelt, sollten aber besser aus Steuermitteln bestritten werden.

Knapp 58 Milliarden Euro zahlen die Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Jahr für Leistungen, die vollständig oder anteilig versicherungsfremd sind. Das ergibt eine neue Studie des Berliner IGES Instituts, die das IMK gefördert hat. Damit flossen 2024 rund 18 Prozent der Gesamtausgaben in Aufgaben, die einen hohen gesellschaftlichen Nutzen stiften, von dem aber nicht nur die Beitragszahlenden profitieren und der daher breiter finanziert werden sollte. Das geschieht bislang nur zu einem relativ geringen Anteil. Denn den 58 Milliarden Euro stehen Bundeszuschüsse an die GKV von lediglich 14,5 Milliarden Euro gegenüber.

Versicherungsfremde Leistungen sind beispielsweise die beitragsfreie Mitversicherung von nicht-erwerbstätigen Ehepartnern oder -partnerinnen und von Kindern, die indirekte Finanzierung von Krankenhausinvestitionen oder Beiträge für Grundsicherungsbeziehende, die vom Bund nicht komplett übernommen werden. Von Fachleuten diskutiert wird unter anderem auch, inwiefern von den Kassen bezahlte Schutzimpfungen zumindest teilweise dazu zählen. Schließlich kommt ihre krankheitsvermeidende Wirkung nicht nur der Gemeinschaft der GKV-Versicherten zugute, sondern wirkt auch darüber hinaus.

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Infografik: Die versicherungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung summieren sich auf rund 22 Milliarden Euro.
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„Wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu stemmen, ist eine Stärke, die die solidarische GKV von privatwirtschaftlichen Versicherungsunternehmen unterscheidet“, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. „Grundsätzlich sind Leistungen wie die Familienversicherung dort auch gut und richtig angesiedelt. Aber die Kassen und ihre Versicherten dürfen nicht auf den Kosten dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgaben sitzen bleiben.“

Insgesamt identifiziert das IGES neun Leistungen mit einem jährlichen Gesamtvolumen von knapp 22 Milliarden Euro, die es vollständig als versicherungsfremd einstuft. Der größte Posten ist die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnerinnen und -partnern. Weitere acht Leistungen stufen die Forscher als „teilweise begründbar“ versicherungsfremd ein. Diese sollten daher allenfalls anteilig aus Versichertenbeiträgen bezahlt werden. Darunter sind 24 Milliarden Euro, die in die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern fließen. Bei anderen Leistungen, die von manchen Fachleuten als versicherungsfremd bezeichnet werden, hält das IGES eine entsprechende Einstufung hingegen für kaum begründbar. Zudem betonen die Forschenden: Die Einstufung einer Leistung als versicherungsfremd sagt nichts darüber aus, ob diese Leistung Teil der gesetzlichen Versicherung sein sollte oder nicht.

„Die Studie macht deutlich, dass es nicht einfach, aber durchaus möglich ist, versicherungsfremde Leistungen in der GKV plausibel abzugrenzen. Klar wird auch, dass die große Mehrheit der versicherungsfremden Ausgaben keineswegs überflüssig ist, sondern einen großen gesamtgesellschaftlichen Nutzen stiftet. Allerdings wird dieser Nutzen derzeit zu stark über Beiträge finanziert“, betont Katja Rietzler, Expertin des IMK für Fiskalpolitik. Die Studie zeige zudem, „dass die versicherungsfremden, aber gesamtgesellschaftlich sinnvollen Ausgaben der GKV um ein Mehrfaches höher sind als der Zuschuss, den der Bund aktuell zum Ausgleich zahlt“, ergänzt Dullien. „Ein höherer Bundeszuschuss aus Steuermitteln wäre also nur fair und ein sinnvoller Beitrag, um die Finanzierungslücke der GKV zu reduzieren.“ 

Gleichzeitig sei es nötig, Reformvorschläge zu verfolgen, die das Gesundheitssystem effizienter machen, indem die Qualität von medizinischen Leistungen verbessert oder Doppeluntersuchungen vermieden werden. Eine konsequente Digitalisierung sei ebenfalls wichtig, so Dullien. 

In einer anderen Studie haben Dullien und Rietzler kürzlich gezeigt, dass die Gesamtausgaben für soziale Sicherung in Deutschland nicht auffällig groß und in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch nicht übermäßig gestiegen sind. Gemessen an der Wirtschaftsleistung blieben sie in zentralen Bereichen wie Grundsicherung, Rente oder Arbeitslosenversicherung sogar unverändert oder waren etwas niedriger als vor 15 oder 20 Jahren. Wirklich problematisch war nach der Analyse nur die Kostenentwicklung im Gesundheitssystem.

Martin Albrecht, Richard Ochmann: Versicherungsfremde Leistungen in der GKV. IMK Study Nr. 102, Dezember 2025

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