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HBS Böckler Impuls

Sozialleistungen: Hartz-IV-Empfänger in der Energiekostenfalle

Ausgabe 01/2007

Der Anstieg der Heiz- und Stromkosten belastet Kommunen und Empfänger von Sozialleistungen. Dieser Druck kann erheblich reduziert werden - durch mehr Energieeffizienz.

Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Sozialhilfe bekommen zu wenig Geld für ihre Stromkosten. "Seit den Hartz-Reformen liegt eine Unterdeckung bei der Erstattung der Haushaltsstromkosten vor", lautet das Ergebnis einer gemeinsamen Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) und des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE). Viele Leistungsempfänger können diese Lücke nicht aus ihrem übrigen Budget schließen. Darum mehren sich die Fälle, in denen Haushalten wegen Zahlungsschwierigkeiten der Strom abgestellt wird. Diese Situation dürfte sich aufgrund der Jahresabrechnungen mit Nachzahlungen weiter verschärfen.

Die Forschungsinstitute haben - gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung - die Folgen des Energiekostenanstiegs für Haushalte mit geringem Einkommen untersucht. Die Strompreise für private Haushalte erhöhten sich von 1998 bis 2006 laut Verbraucherpreisindex um 26,8 Prozent. In diesem Zeitraum wurde der Berechnungsansatz für Haushaltsstrom aber nur um 7,2 Prozent angehoben. Auch durch die Anpassung des Regelsatzes in diesem Jahr erhöht sich der Ansatz für Strom nur von 20,74 Euro auf 21,74 Euro. Mit dem Betrag muss ein Ein-Personen-Haushalt die monatlichen Kosten für Licht, Wasser, Kochen, TV und elektrische Warmwassererzeugung bestreiten. Diese Mini-Zulage wird jedoch wieder an anderen Stellen im Gesamtbudget eingespart, darum bleibt es insgesamt bei den 345 Euro im Monat.

=> Böse Überraschung zum Jahresende

Die stark gestiegenen Energiekosten belasten auch die Finanzen der Städte und Gemeinden. Denn die Kommunen zahlen die Heizkosten der Leistungsempfänger in voller Höhe - sofern sie angemessen sind. Für die Bewertung, was angemessen ist, vermissen die Forscher jedoch klare Maßstäbe. Die Preise für Heizöl, Erdgas und Fernwärme haben noch weit kräftiger angezogen als die Strompreise - von 1998 bis 2006 haben sie sich im Durchschnitt glatt verdoppelt. Die Heizkosten für Empfänger von ALG II, Sozialgeld und -hilfe beliefen sich 2006 bundesweit auf rund 2,7 Milliarden Euro, berechneten die Wissenschaftler. Viele Kommunen versuchten im vergangenen Jahr, die steigenden Kosten durch Obergrenzen für die Erstattung zu deckeln. Das trifft vor allem Bewohner von schlecht isolierten Gebäuden. Zwar haben Gerichte mehrfach entschieden, dass die Kommunen auch für die stark erhöhten Heizkosten aufkommen müssen. Doch die gegenwärtige Praxis sei unübersichtlich und verunsichere viele Hilfsempfänger.

Weitere Kostensteigerungen sind zu erwarten. Diese Mehrkosten könnten jedoch zum Teil über mehr Energieeffizienz aufgefangen werden, so die Autoren der Studie: "Durch eine Reduktion des Energieverbrauchs sind häufig Kostensenkungen möglich, ohne dass dies zu einem Komfortverzicht führen muss." Nötig sind dazu gezielte Anstrengungen der Kommunen, etwa eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Sozialämtern, den für Energiefragen zuständigen Fachämtern und den kommunalen Wohnungsgesellschaften. Das kann sich auszahlen, rechnen die Forscher vor: Wenn durch mehr Effizienz der Heizenergieverbrauch um nur fünf Prozent sinkt, entlastet das die Kommunen in Deutschland jährlich um etwa 95 Millionen Euro. Geld, das erneut in bessere Wärmedämmung angelegt werden kann und sich so wieder rentiert.

Sparpotenziale sehen die Wissenschaftler auch bei der Nutzung von Strom. Den Leistungsempfängern fehle eine Orientierung, "wie viel Geld für Haushaltsstrom ausgegeben werden kann, damit ausreichend Mittel für die Bewältigung der übrigen Ausgaben zur Verfügung stehen." In den Leistungsbescheiden fehlt jegliche Information, um das Budget für Strom mit der monatlichen Abschlagszahlung an den Energieversorger vergleichen zu können. Da die Versorger nur einmal im Jahr eine Abrechnung schicken, bringt die oft eine böse Überraschung: Hohe Nachzahlungen überfordern  Personen ohne Ersparnisse. Kommunen und Verbraucherzentralen sollten durch gezielte Beratung helfen, Energie zu sparen. Denn einkommensschwachen Haushalten werde gerade das besonders schwer gemacht, bemängelt die Studie. "Energieeffiziente Geräte mit langfristig niedrigeren Betriebskosten sind in der Regel mit höheren Anschaffungskosten verbunden, die von Beziehern von ALG II und Sozialhilfe kaum aufgebracht werden können."

  • Energiekosten steigen schneller als die Grundsicherung Zur Grafik

Elke Dünnhoff, Immanuel Stieß, Cord Hoppenbrock: Energiekostenanstieg, soziale Folgen und Klimaschutz. Endbericht, Heidelberg/Frankfurt am Main, November 2006, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung.

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