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HBS Böckler Impuls

Betriebliche Krankenversicherung: Fragwürdiges Angebot

Ausgabe 12/2016

Die Versicherungswirtschaft wirbt mit den Vorteilen einer betrieblichen Krankenversicherung. Doch dahinter verbergen sich häufig Mogelpackungen – und kein zukunftweisendes Modell.

Personalmanager, Unternehmensberatungen und Versicherungsunternehmen werben kräftig für betriebliche Krankenversicherungen (bKV): Diese betriebliche Sozialleistung biete sowohl Arbeitgebern als auch Beschäftigten diverse Vorzüge. Zwei Wissenschaftler der Hans-Böckler-Stiftung haben sich die Angebote und Argumente genauer angesehen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Beschäftigte und ihre Vertreter gut beraten sind, die Produkte auf Herz und Nieren zu prüfen. Zudem befürchten die Experten weitergehende gesundheitspolitische Folgen. Susanne Eva Schulz und Florian Blank stellen in ihrer Analyse zunächst fest, dass belastbare wissenschaftliche Daten zu dem Thema noch fehlen und sie daher nur einen ersten Überblick liefern können. Was sie herausgefunden haben, stimmt jedoch skeptisch.

Betriebliche Krankenversicherungen garantieren wie private Krankenzusatzversicherungen Leistungen, die die der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ergänzen sollen. Finanziert werden diese Gruppenversicherungen durch Arbeitgeber und Beschäftigte. Manche Versicherer bewerben die bKV nach Beobachtung der Forscher offensiv, etwa als „sinnvolle Alternative zu einer Gehaltserhöhung“. Die in den Tarifen enthalten Leistungen umfassen dabei unterschiedliche Bereiche und können unterschiedlich kombiniert werden: Sie enthalten etwa volle Kostenerstattung für Zahnfüllungen oder einen Anspruch auf Chefarztbehandlung. Andere bieten Krankentagegeld und Auslandsversicherung.

Die Tarife ergänzen die Leistungen der GKV nicht nur, die Wissenschaftler haben auch Überschneidungen mit dem Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen gefunden – und damit Angebote, die für viele Beschäftigte überflüssig sind. So listeten Anbieter betrieblicher Krankenversicherungen zum Beispiel die freie Krankenhaus- und Arztwahl als zusätzliche Leistungen ihres bKV-Angebots auf – obwohl diese ohnehin schon gesetzlich oder faktisch zu den regulären Leistungen der GKV zählen. Ein Anbieter wirbt mit der „Kostenübernahme der Differenz bei erhöhten Pflegesätzen in Deutschland“. Doch nach einer Umfrage der Zeitschrift „Soziale Sicherheit“ werden gesetzlich Versicherten solche Mehrkosten in der Regel gar nicht in Rechnung gestellt. „Auch Tarife zur bKV, die zum Beispiel alternative Heilmethoden umfassen, bringen etlichen GKV-Versicherten keinen Zusatznutzen, wenn diese Heilmethoden bereits zu den freiwilligen Satzungsleistungen ihrer Krankenkasse gehören“, konstatieren Schulz und Blank.
Zudem wird ein Teil der Leistungen – wie viele Gesundheitsleistungen – meist erst in einem höheren Alter benötigt. „Zwar kann eine bKV von Arbeitnehmern auch mit dem Renteneintritt weitergeführt werden, doch liegen hier die Kosten höher und gehen allein zu Lasten der Versicherten“, so Schulz und Blank.

Für die Arbeitnehmer kann eine bKV jedoch auch Vorteile haben: So können Beschäftigte mit Vorerkrankungen oder gesundheitlichen Einschränkungen in manchen Tarifen durch die bKV Zusatzleistungen abschließen, auf die sie sonst keine Ansprüche hätten erwerben können. Außerdem können sie ihre Familienmitglieder kostengünstiger mitversichern.

Aus gesundheitspolitischer Sicht seien Angebote und Argumente für eine betriebliche Krankenversicherung allerdings durchaus kritisch zu sehen, so Schulz und Blank: Zwar könne die bKV das Leistungsangebot der GKV ergänzen. Doch selbst wenn einige GKV-Versicherte durch betriebliche Zusatzleistungen besser gestellt werden, „würden andere Versichertengruppen noch weiter bei der Versorgung abgehängt“. Eine Gleichbehandlung aller Patienten werde mittels bKV nicht erreicht.

Trotz „aller Probleme im Detail“ dürfe aber nicht übersehen werden, dass die GKV „nach wie vor einen umfassenden Versicherungsschutz gewährleistet“. Wolle der Arbeitgeber eine von ihm mitfinanzierte bKV einführen, sollten Arbeitnehmervertreter daher genau prüfen, ob diese „Gehaltserhöhung“ nicht besser an anderer Stelle angelegt wäre – zum Beispiel als Barauszahlung oder als Zuschuss zur betrieblichen Altersversorgung.

  • Rund ein Fünftel der gesetzlich Versicherten hat mindestens einen Zusatzvertrag abgeschlossen. Zur Grafik

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